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Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Titel: Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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dort drüben. Halten Sie sich beim Einlegen des Films an das schematische Diagramm.«
    »Kann ich eine Kopie bekommen, wenn ich etwas für mich Brauchbares finde?«
    »Gewiss. Schieben Sie den Teil der Seite einfach zwischen die beiden roten Punkte auf dem Bildschirm, und drücken Sie auf den weißen Knopf gleich vorn.«
    Wir setzten uns an eines der vier Wiedergabegeräte, steckten die Rolle auf die Spindel links, zogen sie über die Vorwickelrolle hinter dem Objektiv vorbei über die Nachwickeltrommel zur Aufwickeltrommel. Ich schaltete das Gerät ein und drückte auf den Knopf für langsame Geschwindigkeit. Vor einem schwarzen Hintergrund erschien die erste Zeitungsseite. Die Ränder waren an manchen Stellen zerfranst, aber im Wesentlichen war das Bild klar. Dietz stand hinter mir und schaute mir über die Schulter, als ich auf den Knopf für Schnelldurchlauf drückte.
    Verschwommen huschten Tagesdaten über den Schirm. Hin und wieder drückte ich auf »Stopp«, um zu sehen, wie weit wir waren, 22. April, 14. Mai, 3. Juni. Ich stellte das Gerät wieder auf »Slow«. Allmählich kam der 30. Juni in Sicht. Das große Erdbeben hatte sich am Z9. Juni morgens um sechs Uhr zweiundvierzig ereignet. Es sei, schrieb die Zeitung, so schwer gewesen, dass das Straßenpflaster aufgeworfen wurde und sich übereinanderschob und Straßenschilder wie Streichhölzer umknickten. Das Becken des Reservoirs bekam einen Riss und überflutete Montebello mit Schlamm und Wasser. Gas und Strom wurden sofort abgestellt, daher gab es nur einen einzigen Brand, der schnell gelöscht werden konnte. In Downtown wurden zahlreiche Gebäude stark beschädigt, die Straßenbahngleise brachen, und stellenweise senkte sich der Asphalt fünfzehn Zentimeter. Viele Bewohner schliefen in dieser Nacht im Freien, und auf dem Highway flüchteten ganze Autokarawanen nach Süden. Insgesamt gab es dreizehn Tote. Die Namen der Toten und der Verletzten waren aufgeführt. Manchmal sogar das Alter, der Beruf und die Adresse, falls bekannt. Unter den Toten gab es niemanden, der auch nur im entferntesten etwas mit der Geschichte zu tun zu haben schien, die Agnes Grey mir erzählt hatte.
    Ich bediente das Gerät jetzt von Hand und hielt es immer wieder an, damit wir jede Spalte überfliegen konnten. Eine prominente Witwe war von den einstürzenden Mauern eines Hotels erschlagen worden. Aus dem Trümmern des Gebäudes, in dem er seine Praxis gehabt hatte, wurde die Leiche eines Zahnarztes geborgen. Kein Wort über eine Frau namens Emily. »Was denkst du?«, fragte ich Dietz.
    Er zeigte mit dem Daumen nach unten. Ich ließ den Mikrofilm zurücklaufen und nahm ihn von der Spindel. Wir brachten die Filmkassette zum Hauptschalter zurück und besprachen leise, was wir als Nächstes versuchen sollten. »In welchem Jahr ist Agnes geboren?«, fragte Dietz.
    »Anno 1900 — soviel wir wissen, obwohl auch das fraglich ist. Es kann auch 1913 gewesen sein.«
    »Dann war sie 1925 also zwischen zwölf und fünfundzwanzig. Wenn wir annehmen, dass der Altersunterschied zwischen ihr und ihrer Schwester etwa fünf bis sechs Jahre betrug, konnte Emily damals demnach in jedem Alter zwischen sechs und dreißig gewesen sein.«
    »Keines der weiblichen Erdbebenopfer entspricht auch nur annähernd diesem Alter.«
    Dietz zog die Stirn in Falten. »Nach allem, was wir wissen, kann Emily genauso gut der Hund der Familie gewesen sein.«
    Höflich lächelnd kam der Bibliothekar auf uns zu. »Haben Sie gefunden, was Sie suchen?«
    »Leider nein«, sagte ich. »Hätten Sie vielleicht noch etwas für uns?«
    Mit geduldigem Interesse für unser Anliegen nahm er seinen Katalog zur Hand. »Lassen Sie mich nachsehen. Tja, es sieht so aus, als habe es nach dem Beben von 192.5 noch ein Nachbeben gegeben. Hier — 29. Juni 1926. Auf den Tag genau ein Jahr später. Ein Todesopfer. Das einzige andere bemerkenswerte Beben ereignete sich am 4. November 1927, doch damals gab es keine Toten. Würden Sie gern das von 1926 nachlesen?«
    »Klar.«
    Wir kehrten zu unserem Gerät zurück, fädelten wieder den Film ein, ließen den Kalender an uns vorüberfliegen, und die Zeit wurde zu flimmerndem Grau. Gegen Ende der Spule stellte ich das Gerät auf Handbetrieb um, kurbelte von einem Tag zum anderen weiter und überflog jede Spalte. Dietz beugte sich über meine Schulter und kontrollierte, ob ich auch nichts übersah. Allmählich verlor ich jede Hoffnung. Dabei hielt ich meine Theorie für gut — verdammt, es war meine

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