Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist
einzige. Wenn sie nichts einbrachte, hatten wir keine Chance. Ich las von Babe Ruth, der kürzlich in Philadelphia seinen sechsundzwanzigsten Home Run der Saison geschafft hatte. Ich las von einer Frau, deren Ehe nach sechs Jahren annulliert worden war, nachdem sie herausgefunden hatte, dass ihr erster Mann noch lebte. Ich las von Aimee Semple McPherson, die steif und fest behauptete, von Unbekannten gekidnappt worden zu sein...
»Hier ist es«, sagte Dietz und legte den Finger auf den Bildschirm.
Ich quietschte laut auf und lachte. Sechs Bibliotheksbesucher drehten sich um und starrten mich an. Verlegen hielt ich mir die Hand vor den Mund. Ich schaute auf das Gerät. Es war wie ein Geschenk — eine so unerwartete Freude — , die Zeilen sprangen mir förmlich von der Seite entgegen. Der Artikel war kurz, der Stil ein bisschen altmodisch, aber die Fakten waren klar, und alles passte zusammen.
FRAU VON HERABFALLENDEN ZIEGELSTEINEN GETÖTET
Kamin löscht das Leben einer Bürgerin unserer Stadt aus
Emily Bronfen, 29, Buchhalterin hei Brookfield, McClintock und Gaskell, fand gestern Nachmittag den Tod, als zwanzig Minuten nach drei durch einen Erdstoß der Kamin ihres elterlichen Hauses, Summer Street 1107, einstürzte und die Trümmer sie unter sich begruben. Die Tote wurde in das Beerdigungsinstitut Donovan Brothers gebracht und wird heute Nachmittag um vier Uhr eingeäschert.
Wie Associated Press berichtet, war der Erdstoß, der in Pasadena Türen auf riss und in Santa Monica Deckenlumpen zum Schaukeln brachte, auch in Los Angeles zu spüren, wo die Angestellten in einem Bürogebäude feststellten, dass ihre Drehstühle kreuz und quer durcheinanderrutschten.
Ventura berichtet von zwei Erdstößen, die jeweils vier oder fünf Sekunden dauerten. Santa Monica meldete gestern kurz nach sieben Uhr abends einen zweiten Erdstoß.
L.L. Pope, Inspektor der städtischen Gebäude von Santa Teresa, hat gestern Nachmittag die Runde durch die Stadt gemacht und berichtet, er habe an keinem der Gebäude, die schon nach den Bestimmungen der neuen Bauverordnung errichtet wurden, gravierende Schäden entdeckt. »Es hat auch insgesamt nur geringe Schäden gegeben«, erklärte er. »Sie beschränken sich im Wesentlichen auf alte Feuermauern, die während des Erdbebens vor einem Jahr beschädigt wurden...«
Ich drehte mich um und sah zu Dietz auf. Unsere Blicke hielten sich einen Moment fest, dann bückte er sich und küsste mich auf den Mund. Ich hob die Hand und vergrub sie in seinem Haar. Er ließ die seine von meiner Schulter tiefer gleiten und strich mir unter dem Hemd mit den Fingerspitzen über die linke Brust.
»Druck’s aus«, sagte er heiser.
»O Gott!«, flüsterte ich.
Hinten an seinem Schalter schob sich der Bibliothekar die Brille auf die Nasenspitze und blickte über den Rand hinweg zu uns herüber.
Ich wurde rot, zog meinen Kragen zurecht und brachte mein Hemd in Ordnung. Ich drückte auf den Knopf. Als wir den Mikrofilm zurückbrachten, bekamen wir eine Rechnung für die Fotokopie. Wie verließen das Zeitungs- und Zeitschriftenarchiv, ohne uns um die beiden Bibliothekare zu kümmern, die sich über ein sehr amüsantes Thema zu unterhalten schienen.
»Bronfen«, sagte ich, als ich hinter Dietz die Treppe hinaufstieg. »Das gefällt mir. Es klingt wirklich so ähnlich wie Bronte. Die Eltern müssen begeisterte Leser viktorianischer Literatur gewesen sein.«
»Wahrscheinlich«, antwortete Dietz. »Ich weiß im Moment aber nicht, was das beweisen soll.«
Im Hauptarchiv wühlten wir uns durch mehrere alte Adressbücher. In der Ausgabe von 1926 fanden wir eine Maude Bronfen (Beruf Witwe) unter der Adresse, die wir aus dem Zeitungsartikel kannten. »Mist«, sagte ich. »Ich habe gedacht, wir würden Anne finden.«
»Versuchen wir’s in der Hall of Records. Sie ist gleich gegenüber. Vielleicht bekommen wir dort eine Kopie von Irenes Geburtsurkunde.«
Wir bezahlten die Fotokopie, verließen die Bibliothek und liefen rasch über die Einbahnstraße zum Gerichtsgebäude hinüber. Dietz umfasste meinen Ellenbogen, und sein Blick kontrollierte die von links kommenden Autos ebenso wie die Fußgänger aus allen Richtungen und die möglichen Verstecke, in denen Mark Messinger lauern konnte, um mich zu erledigen. »Wie wollen wir weiter verfahren?«, fragte ich.
Er überlegte einen Moment. »Also, wenn ich ein solches Dokument fälschen würde, würde ich die Änderungen auf ein Minimum beschränken. Umso geringer
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