Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist
verstärkt.«
»Was ist mit dem Killer? Ist er geflohen?«
»Sie. Eine Frau, als Politesse verkleidet, die in einem Kleinlaster auf der gegenüberliegenden Straßenseite wartete.«
Empörung stieg in mir auf wie Fieberhitze. »Dietz, das ist widerlich. Was, zum Teufel, geht eigentlich vor? Der Kerl, der mich umbringen wollte, hat sein Kind mitgebracht.«
Ich brauchte ein paar Minuten, um ihm die Einzelheiten zu schildern. Er hörte aufmerksam zu und stellte hin und wieder eine Frage, um den einen oder anderen Punkt zu klären. Als ich fertig war, verriet mir eine kurze Gesprächspause, dass er sich eine Zigarette angezündet hatte. »Haben Sie eine Waffe?«, fragte er. Fast konnte ich den Rauch riechen, der durch die Leitung kam.
»In meiner Handtasche. Eine kleine .32er. Es ist keine großartige Waffe, aber ich treffe immer das, worauf ich ziele.«
»Und man hat sie Ihnen gelassen?«
»Klar. Wieso denn nicht? Wenn man in ein Krankenhaus eingeliefert wird, wird man nur nach Medikamenten gefragt. Keiner denkt daran, sich nach Feuerwaffen zu erkundigen.«
»Wer weiß, dass Sie dort sind?«
»Keine Ahnung. Die Stadt ist klein. Ich habe den Deputy gebeten, es geheim zu halten, aber so was spricht sich rum. Eigentlich habe ich mich bis zu der Unterhaltung mit Ihnen sicher gefühlt.«
»Gut. Bleiben Sie nervös. Ich komme, so schnell ich kann.«
»Wie werden Sie mich finden? Man wird Sie um Mitternacht kaum durchs Haus geistern lassen?«
»Nur keine Sorge, ich habe meine Methoden«, sagte er.
»Woran kann ich erkennen, dass Sie es sind und nicht ein weiterer von Pattys kleinen Freunden?«
»Bestimmen Sie ein Codewort.«
»Dillgurke.«
Er lachte. »Was soll denn das heißen?«
»Nichts. Ist mir eben so eingefallen.«
»Dillgurke. Gegen Mitternacht. Passen Sie gut auf sich auf!«
Nachdem ich aufgelegt hatte, stieg ich vorsichtig aus dem Bett und schlich zum Schwesternzimmer. Mit einer Hand hielt ich mir das am Rücken offene Krankenhausnachthemd zu. Hinter dem Tresen saßen drei Schwestern, ein Stationsmädchen und eine Hilfsschwester. Alle fünf schauten auf, und ihre Blicke schweiften zu einem Punkt hinter mir. Ich drehte mich um. Auf einer Wandbank hatte es sich der De-puty-Lehrjunge bequem gemacht. Verlegen hob er die Hand, und ganz langsam stieg ihm das Blut ins Gesicht.
»Sie haben mich ertappt«, sagte er. »Ich hab mir gedacht, dass jemand Sie vielleicht im Auge behalten sollte, für den Fall, dass der Typ wieder auftaucht. Hoffentlich haben Sie nichts dagegen?«
»Dagegen? Machen Sie Witze? Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie sich um mich kümmern.«
»Das ist meine Freundin Joy...«
Die Hilfsschwester lächelte mir zu und stellte mir dann die vier anderen Frauen vor. »Wir haben die Sicherheitsleute alarmiert«, sagte eine Schwester. »Wenn Sie wollen, dürfen Sie jetzt ein bisschen schlafen.«
»Danke. Das hab ich dringend nötig. Ein Privatdetektiv namens Robert Dietz will heute noch hier aufkreuzen. Geben Sie mir Bescheid, wenn er auftaucht, und überzeugen Sie sich, ob er allein ist.« Ich nannte ihnen das Codewort und die von ihm errechnete ungefähre Ankunftszeit.
»Wie sieht er aus?«
»Weiß ich nicht. Ich bin dem Mann nie begegnet.«
»Nur keine Sorge, wir kümmern uns um ihn«, sagte Ri-chie.
Ich schlief bis zum Abendessen und war dann lange genug wach, um einen Teller Krankenhauskost zu verzehren, die mir unter einer Aluminiumglocke serviert wurde. Meine lebenswichtigen Funktionen wurden wieder geprüft, und anschließend schlief ich noch einmal bis Viertel nach elf. Zwischendurch merkte ich wie durch einen Nebel, dass jemand mir in Abständen den Puls maß, Finger, so kühl wie Engelsfinger, pressten sich auf mein Handgelenk. Als ich aufwachte, hatte jemand ein paar von meinen Sachen aus dem Auto gebracht. Die Reiseschreibmaschine und die Segeltuchtasche standen an der Wand. Ich biss die Zähne zusammen und rutschte aus dem Bett. Als ich mich bückte, um den Reißverschluss der Tasche zu öffnen, hämmerte mein Kopf, als hätte ich einen Kater. Ich zog frische Jeans und einen Rollkragenpullover heraus und legte beides aufs Bett. In der Nachttischschublade fand ich Seife, Zahnbürste, Zahnpasta und eine kleine Plastikflasche mit Körperlotion. Ich ging ins Bad, putzte mir die Zähne, dankbar dafür, dass sie noch vorhanden waren. Ich nahm ein langes, heißes Bad in einer Wanne mit mehreren Haltegriffen an der Wand; sie waren an jedem erreichbaren Punkt befestigt, und ich brauchte
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