Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist
der Fahrerseite auf, warf das Feuerzeug hinaus und schnippte die Zigarette hinterher; als Letztes kam die Packung Zigaretten dran, die in der Brusttasche seines Hemdes gesteckt hatte.
Ich sah ihn an, lachte verlegen. »Was tun Sie denn da?«
»Ich gebe das Rauchen auf.«
»Einfach so?«
»Ich kann alles«, sagte er.
Das klang nach Angeberei, doch ich merkte, dass es ihm ernst war. Wir fuhren etwa zehn Meilen, bevor einer von uns wieder ein Wort sagte. Als wir uns Salton City näherten, bat ich ihn, langsamer zu fahren. Ich wollte, dass er die Stelle sah, wo der Kerl in dem Dodge mich eingeholt hatte. Wir hielten nicht an — das hätte keinen Sinn gehabt — , doch ich hatte das Gefühl, dass ich hier nicht vorüberfahren durfte, ohne den Zwischenfall zumindest zu erwähnen.
In Indio fuhren wir auf den Parkplatz eines kleinen Einkaufszentrums, wo sich ein mexikanisches Restaurant zwischen eine Reparaturwerkstatt für Videorecorder und einen Tierarzt zwängte.
»Hoffentlich haben Sie Hunger«, sagte Dietz. »Wenn wir erst mal in den Außenbezirken von Los Angeles sind, möchte ich nicht mehr anhalten. Der Sonntagsverkehr ist das Letzte.«
»Ist mir sehr recht«, sagte ich. In Wirklichkeit war ich nervös und angespannt und brauchte eine Pause. Dietz hatte den Wagen gut in der Hand, fuhr jedoch aggressiv und wurde ungeduldig, wenn er hinter einem anderen herfahren musste. Die Autobahn hatte nur zwei Fahrspuren, und bei seinen Überholmanövern klammerte ich mich an den Haltegriff. Dietz’ Aufmerksamkeit galt ausschließlich der Straße vor und hinter uns, damit ihm (wie ich vermutete) keine verdächtigen Fahrzeuge entgingen. Er schaltete das Radio nicht ein, und die Totenstille im Wagen wurde nur von dem rhythmischen Trommelwirbel durchbrochen, den er mit den Fingern auf das Steuer schlug. Er strahlte jene Art von Energie aus, die mir auf die Nerven geht. Im Freien wäre nichts dagegen einzuwenden gewesen, aber hier im Wagen fühlte ich mich eingeengt bis an die Grenze der Klaustrophobie. Der Gedanke, ihn für unbestimmte Zeit tagtäglich vierundzwanzig Stunden um mich zu haben, machte mir Kummer.
Durch eine Glastür gelangten wir in einen länglichen rechteckigen Raum, der ganz offensichtlich für Kleinhändler entworfen worden war. Ein unförmiger Raumteiler trennte Küche und Speiselokal, in dem ein paar Tische standen. Durch die offene Tür konnte ich einen Herd und einen zerbeulten Kühlschrank sehen, der aus einer Haushaltsauflösung zu stammen schien. Dietz wies mich an zu warten und schlenderte lässig nach hinten, wo er den Hintereingang kontrollierte. Das Lokal war unangenehm kühl, und als wir die Stühle zurückschoben, löste das Scharren ein Echo aus. Dietz setzte sich schräg, damit er durch die Fenster seinen Wagen im Auge behalten konnte.
Aus der Küche schielte jemand unsicher zu uns herüber. Vielleicht hielt man uns für Inspektoren des Gesundheitsministeriums, die nach Rattenscheiße Ausschau hielten. Man konferierte flüsternd miteinander, und dann erschien eine Kellnerin. Sie war klein und untersetzt, eine Mexikanerin mittleren Alters in einer weißen, mit Flecken verzierten Kittelschürze. Schüchtern brachte sie ihre Sprachkenntnisse an. Mein Spanisch beschränkt sich auf (ungefähr) drei Worte, aber ich könnte schwören, dass sie uns Eichhörnchensuppe anbot. Dietz kniff immer wieder die Augen zu und schüttelte den Kopf. Schließlich redeten die beiden auf Spanisch aufeinander ein. Er schien es nicht fließend zu sprechen, konnte sich jedoch verständlich machen.
Ich musterte ihn, während er sich mit seinem Vokabular abmühte. Er sah auch ziemlich zerbeult aus: seine Nase war etwas platt und hatte einen Höcker auf dem Sattel, sein Mund war breit und gerade, verzog sich jedoch schief nach unten, wenn er lächelte. Er hatte gute Zähne, aber ich vermutete, dass ein paar nicht seine eigenen waren. Sie sahen für meine Begriffe zu regelmäßig aus und waren zu weiß. Er wandte sich wieder mir zu.
»Das Restaurant hat erst gestern eröffnet. Sie empfiehlt uns das Geflügelklein oder den gemischten Teller.«
»Ich esse kein Geflügelklein. Das wird mit Därmen gemacht. Haben Sie das Zeug schon mal gesehen? Es ist weiß und schaut schwammig aus — lauter Löcher und Knorpel. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um ein inneres Organ, das beim Menschen gar nicht vorkommt.«
»Sie nimmt den gemischten Teller«, sagte er zu der Kellnerin und hielt zwei Finger hoch, bestellte das
Weitere Kostenlose Bücher