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Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Titel: Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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sie alle. Erst als ich in die Wanne und dann wieder hinausstieg, merkte ich, wie viele willkürlich verteilte schmerzende Stellen ich am ganzen Körper hatte.
    Während ich mich abtrocknete, betrachtete ich mich im Spiegel, und mein Anblick entmutigte mich zutiefst. Zusätzlich zu der Riesenbeule auf der Stirn waren meine Augen dunkel umrandet und blutunterlaufen — eine perfekte Maske für Halloween, von dem uns nur noch sechs Monate trennten. Mein linkes Knie war purpurrot bis violett, mein Oberkörper so voller blauer Flecken, dass er aussah wie in Tinte getaucht. Als ich mir das Haar kämmte, zuckte ich vor Schmerz zusammen und sog Luft durch die Zähne. Ich ging ins andere Zimmer und ließ mir beim Anziehen viel Zeit, ruhte mich jeweils zwischen zwei Kleidungsstücken immer gründlich aus. Die Prozedur strengte mich unglaublich an, doch ich machte hartnäckig weiter. Welchen Schaden ich bei dem Unfall auch davongetragen haben mochte, er forderte jetzt seinen Tribut.
    Ich streckte mich auf dem Bett aus und warf einen Blick auf die Uhr. Mitternacht. Jetzt würde Dietz jeden Moment eintreffen. Ganz selbstverständlich ging ich davon aus, dass er sofort losgefahren war, was mir nur recht sein konnte. Falls ich eine Gehirnerschütterung hatte, konnte es nur eine leichte sein. Ich wusste nicht einmal sicher, ob ich bewusstlos gewesen war, und ich litt auch nicht an posttraumatischer Amnesie. Obwohl — woher sollte ich wissen, dass ich nicht doch irgendetwas total vergessen hatte? Der Kopf tat mir noch weh, aber was soll’s? Das konnte noch Wochen dauern, und ich wollte vorher raus. Ich wollte, dass jemand die Sache in die Hand nahm, vorzugsweise jemand mit einem großen Revolver, jemand, der keine Skrupel hatte, ihn zu benutzen. Ich merkte, dass ich es tunlichst vermied, an Richter Jarvison zu denken.
    Als ich das nächste Mal wach wurde, hörte ich das leise Piepsen des Krankenhaus-Funkrufs und das Rattern der Frühstückswagen im Korridor. Es war Morgen, und ein weibliches Wesen sprach mit mir. Ich brauchte eine Minute, um mich zu erinnern, wo ich war.
    »Miss Millhone? Zeit zum Fiebermessen...« Ich sperrte automatisch den Mund auf, und sie schob mir ein kaltes, nasses Thermometer unter die Zunge. Ich schmeckte Laboralkohol, der nicht richtig abgespült worden war. Sie maß mir den Blutdruck, drückte meinen rechten Arm an ihren Körper, während sie mir die Manschette anlegte. Dann presste sie mir die Membrankapsel des Stethoskops in die Armbeuge und begann zu pumpen. Ich schlug die Augen auf. Es war nicht die Schwester, die ich kannte; eine schlanke Mexikanerin mit leuchtend rotem Lippenstift auf wulstigen Lippen, das lange braune Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Ihr Blick war auf die Skala gerichtet, während die Nadel entgegen dem Uhrzeigersinn nach unten wanderte. Ich nahm an, dass mein Blutdruck normal war, da sie nicht laut nach Luft schnappte. Es wäre recht hilfreich, wenn sie einem hin und wieder etwas über die ermittelten Messwerte sagen würden.
    Ich wandte das Gesicht zum Fenster. Ein Mann lehnte an der Wand, die Arme vor der Brust verschränkt. Dietz. Ende Vierzig. Einssiebenundsiebzig groß, vielleicht hundertfünfzig Pfund schwer, Jeans, Cowboystiefel und Tweedjackett. In der rechten Brusttasche steckte wie ein Kugelschreiber eine blaue Zahnbürste. Er war glatt rasiert, sein Haar halblang und über den Ohren leicht angegraut. Er musterte mich mit ausdrucklosen grauen Augen. »Ich bin Dietz.« Raue Stimme in Mittellage.
    Es knisterte laut, als die Schwester mir die Manschette abriss und etwas auf mein Krankenblatt notierte. Mit der freien Hand nahm ich mir das Thermometer aus dem Mund. »Wann sind Sie gekommen?«
    »Viertel nach eins. Sie haben fest geschlafen, also ließ ich es dabei.«
    Die Schwester nahm mir das Thermometer ah und studierte es stirnrunzelnd. »Sie haben es nicht lange genug drinbehalten.«
    »Ich habe kein Fieber«, sagte ich. »Ich hatte einen Unfall.«
    »Die Stationsschwester wird mir die Hölle heiß machen, wenn ich Ihre Temperatur nicht habe.«
    Ich schob mir das Thermometer seitlich zwischen die Lippen wie eine Zigarette und setzte, das hüpfende Instrument im Mund, meine Unterhaltung mit Dietz fort. »Konnten Sie ein bisschen schlafen?«
    »Hier?«
    »Sobald der Arzt hier war, können wir abhauen«, sagte ich. »Der Kerl mit dem Kind war im selben Motel. Ich denke, wir sollten hinfahren und sehen, was uns der Mann an der Rezeption über ihn sagen kann. Vielleicht

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