Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist
kriegen wir das amtliche Kennzeichen seines Lieferwagens.«
»Sir, ich muss Sie bitten, auf dem Korridor zu warten.«
»Sie haben den Lieferwagen gefunden. Ich habe nach meiner Ankunft von einem Münztelefon aus mit dem County Sheriff telefoniert. Das Fahrzeug stand verlassen in der Nähe von San Bernardino. Sie wollen nach Fingerabdrücken suchen, aber er ist vermutlich zu gerissen, um solche Spuren zu hinterlassen.«
»Was ist mit den öffentlichen Parkplätzen?«
»Wir können sie abgrasen, aber ich denke, Sie werden feststellen, dass der Lieferwagen nichts hergibt.«
Die Schwester wurde unruhig. »Sir...«
Er warf ihr einen kurzen Blick zu. Ich begann zu protestieren, aber Dietz löste sich bereits von der Wand. »Ich geh in den Aufenthaltsraum hinunter und stecke mir eine Zigarette an.«
9
Um zehn Uhr fünfundreißig half er mir, meine geschundenen Knochen auf dem Beifahrersitz eines leuchtend roten Porsche zu verstauen. Ich beobachtete ihn, als er um die Motorhaube des Wagens herumging und sich hinters Steuer klemmte.
»Den haben Sie gemietet?«
»Er gehört mir. Ich bin selber runtergefahren. Wollte nicht auf meinen Kumpel mit dem Flugzeug warten. Er konnte nicht so bald starten, wie ich wollte.«
Ich ließ den Sicherheitsgurt einschnappen und machte es mir auf dem tiefen schwarzen Ledersitz bequem. Er ließ den Motor an, fuhr aus dem Parkplatz hinaus und stellte dabei die Klimaanlage neu ein.
»Wohin wollen wir?«
»In die Werkstatt, in die man Ihr Auto abgeschleppt hat.«
»Hat sie denn sonntags geöffnet?«
»Jetzt ja.«
»Wie haben Sie das hingekriegt?«
»Über den Notruf. Der Besitzer erwartet uns schon.«
Wir fuhren nach Brawley, wo die Werkstatt ein wenig abseits der Hauptstraße in einer aufgelassenen Tankstelle untergebracht war. Hinter einem Gitterzaun stand auf einem seitlichen Stellplatz mein VW. Als wir vorfuhren, kam der Besitzer mit einem Schlüsselbund aus dem Büro. Er sperrte das Vorhängeschloss des Gitters auf und rollte das Einfahrtstor zurück. Dietz bog auf den Parkplatz ein und stellte den Wagen ab. Als ich die Tür öffnen wollte, hielt er mich zurück.
»Warten Sie, bis ich herumkomme.« Seinem Ton nach zu schließen, waren gute Manieren nicht gefragt. Ich gehorchte. Als er mir die Tür öffnete, stellte er sich so, dass er mich völlig verdeckte, während ich ausstieg. Der Besitzer der Werkstatt schien unser Verhalten nicht befremdlich zu finden. Dietz reichte ihm einen gefalteten Geldschein. Er war anscheinend groß genug, um den Mann an einem Tag hierher zu lotsen, an dem der Laden sonst geschlossen war.
Wir gingen um meinen Wagen herum und sahen uns die Schäden an. Kaum ein Teil war unbeschädigt geblieben.
»Sieht ganz schön verbeult aus«, sagte der Werkstattbesitzer zu Dietz. Mir war nicht klar, ob er mich meinte oder mein Fahrzeug. Ich riss die gestauchte Fahrertür auf, leerte das Handschuhfach, steckte den KFZ-Schein in meine Handtasche und warf die unzähligen Tankquittungen weg, die sich angesammelt hatten. Ein paar Sachen lagen noch auf dem Rücksitz: Gesetzbücher, mehrere Werkzeuge, meine Kameraausrüstung, dieses und jenes Kleidungsstück, ein Paar Schuhe. Verschiedenes war bei dem mehrfachen Zusammenprall mit dem Lieferwagen auf den Boden gerutscht und jetzt vom Schlammwasser durchweicht. Ich warf einen Blick in die stark mitgenommene Schachtel mit altem Porzellan und war überaus dankbar, dass nichts zerbrochen war. So viel hineinging, lud ich in den Kofferraum des Porsche. Was ich nicht mitnehmen konnte, packte ich in eine große Schachtel, die der Besitzer der Werkstatt mir freundlicherweise im Büro hervorkramte. Ich verstaute die Schachtel mit dem Geschirr in der größeren, schrieb einen Scheck fürs Abschleppen aus und besprach mit ihm, dass er mir die Sachen als Frachtgut nach Santa Teresa schicken sollte. Wenn ich wieder zu Hause war, würde ich bei meiner Versicherung eine Schadensund Verlustmeldung einreichen, glaubte jedoch nicht, dass ich für den Wagen noch viel herausholen konnte.
Zehn Minuten später fuhren wir auf dem Highway 86 nach Norden. Kaum waren wir unterwegs, steckte Dietz sich eine Zigarette zwischen die Lippen und knipste ein Feuerzeug an. Er zögerte, warf mir einen Blick zu. »Stört es Sie, wenn ich rauche?«
Zuerst wollte ich höflich sein, aber dann schien es mir ziemlich sinnlos. Wozu dient die Sprache, wenn nicht dazu, die Wahrheit zu sagen. »Wahrscheinlich ja«, antwortete ich.
Er machte das Fenster auf
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