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Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Titel: Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Vater, der sein Kind nicht in Anwesenheit Dritter tadeln wollte. Der Mann wollte einen guten Eindruck machen. Ich suchte mit den Blicken die Straße ab, ob schon etwas von Dietz zu sehen war.
    Irene fühlte mein Zögern. »Stimmt etwas nicht, meine Liebe? Sie scheinen besorgt zu sein.«
    »Ich bin hier mit jemandem verabredet und möchte nicht gehen, ohne ihm eine Nachricht zu hinterlassen.«
    »Wir können warten, wenn Sie wollen.«
    Clyde machte eine ungeduldige Geste. »Tu, was du für richtig hältst. Und Sie auch«, sagte er. »Ich gehe jedenfalls. Ich nehme diese Seite, und Sie können die andere nehmen. Wir treffen uns in einer Stunde und tauschen aus, was wir erfahren haben.« Er drückte Irene einen flüchtigen Kuss auf die Wange und ging. Sie sah ihm ängstlich nach. Ich dachte, sie wollte mir etwas sagen, doch sie ließ den Augenblick ungenutzt verstreichen.
    »Wollen Sie im Pflegeheim eine Nachricht hinterlassen, wo wir sind?«
    »Nicht nötig«, sagte ich. »Dietz wird es sich schon denken können.«

13

    Wir begannen mit dem Haus schräg gegenüber vom Pflegeheim. Wie viele andere in der Gegend, war es solide gebaut und stammte vermutlich vom Anfang dieses Jahrhunderts. Es hatte eine breite Vorderfront, war zweistöckig, mit Schindeln aus Zedernholz verkleidet und hellgrün gestrichen. In der Mitte war eine vorstehende Veranda mit einem giebelförmigen Aufsatz, und in den großen Erkerfenstern spiegelten sich die weit ausladenden Äste einer überhängenden Eiche. Als wir auf das Haus zugingen, glaubte ich hinter einem der oberen Fenster eine Bewegung zu sehen. Irene stützte sich auf meinen Arm. Mir war jetzt schon klar, dass sie mich behindern würde, doch ich brachte es nicht übers Herz, ihr das zu sagen. Ich hoffte, ihre Angst würde geringer werden, wenn sie bei der Suche helfen konnte.
    Ich drückte auf die Klingel, die heiser rasselte. Gleich darauf öffnete sich die Tür einen Spalt, und ein Gesicht tauchte auf, eine ältere Frau. Die Sicherheitskette blieb eingehakt. Wäre ich ein Ganove gewesen, hätte ich die Tür mit einem gut platzierten Fußtritt ganz aufmachen können.
    »Ja?«
    »Entschuldigen Sie die Störung«, sagte ich, »aber wir sprechen mit allen Leuten in der Nachbarschaft. Aus dem Pflegeheim gegenüber ist eine alte Frau verschwunden, und wir wollen nur fragen, ob Sie sie gesehen haben. Heute Morgen gegen sieben Uhr. Wir denken, dass sie das Heim ungefähr um diese Zeit verlassen hat.«
    »Ich stehe nicht vor acht auf. Das hat mir mein Arzt verordnet. Früher bin ich um fünf Uhr aufgestanden, aber er sagt, das ist lächerlich. Ich bin sechsundsiebzig. Er meint, um diese Zeit passiert noch nichts, über das ich Bescheid wissen müsste.«
    »Und Ihre Nachbarn? Hat vielleicht jemand erwähnt...«
    Sie winkte ungeduldig ab. Ihre Knöchel waren fleckig und geschwollen. »Mit denen spreche ich nicht. Sie haben seit fünfzehn Jahren die Hecke nicht mehr beschnitten. Ich bezahle den Zeitungsjungen, damit er einmal im Monat kommt und sie trimmt. Sonst würde sie bis zu den Telefondrähten hinaufwachsen — oder noch darüber hinaus. Sie haben auch einen Hund, der in meinen Garten kommt und überall sein Geschäft erledigt. Ich kann keinen Schritt in den Garten machen, ohne Hundekot an die Schuhe zu kriegen. Mein Mann sagt immer: >Pfui, Ethel, hast schon wieder so ein Hundedingsbums am Schuh.<«
    Ich nahm eine meiner Geschäftskarten heraus und notierte die Nummer des Pflegeheims auf die Rückseite. »Darf ich Ihnen meine Karte hier lassen? Dann können Sie mich anrufen, wenn Sie etwas hören. Wir wären Ihnen für Ihre Hilfe sehr dankbar.«
    Die Frau nahm die Karte nur widerstrebend. Es war klar, dass sich ihr Interesse für geriatrische Ausreißer in Grenzen hielt. »Wie heißt die Frau?«
    »Agnes Grey.«
    »Wie sieht sie aus? Ich kann doch niemanden erkennen, den ich noch nie zu Gesicht bekommen habe.«
    Ich beschrieb ihr Agnes kurz. Da Irene dabeistand, konnte ich nicht gut sagen, dass Agnes wie ein Vogel Strauß aussah.
    »Ich werde die Augen offen halten«, erklärte die Frau. Dann schloss sie die Tür.
    Wir versuchten es im nächsten Haus und im übernächsten, immer mit dem gleichen Resultat. Als wir an der Ecke ankamen, waren fünfundvierzig Minuten vergangen. Es war eine langwierige und bisher unproduktive Arbeit. Niemand hatte Agnes gesehen. Wir wandten uns auf der Concorde Avenue nach Osten. Ein Wagen des United Parcel Service brauste heran, und wir warteten am

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