Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist
Gittermuster. Durch eine offene Tür blickte ich in ein Badezimmer in den gleichen Farben: eine Vase mit weißen Seidenblumen, dicke, weiche gelbe Handtücher in einem Weidenkorb, der auf dem Waschbecken stand.
Vera hatte ihre Sachen über jede sichtbare Fläche verstreut; abgelegte Kleidung auf dem Bett, andere Garderobe auf einem Haken an der weit offen stehenden Schranktür. Kosmetika auf der Kommode, heiße Lockenwickel und einen Lockenstab auf dem Badezimmerschränkchen, ein feuchtes Handtuch auf dem Toilettensitz. Aus dem offenen Koffer auf der Kofferbank quoll weiche Chiffonwäsche. Auf einem Polstersessel lag malerisch eine Strumpfhose mit gespreizten Beinen; der verstärkte rautenförmige Zwickel sah aus wie ein nach oben gerichteter Pfeil. Dietz marschierte schnurstracks zur Tür des Nebenzimmers, überzeugte sich, dass sie abgesperrt war, und zog dann die Vorhänge zu.
Vera ging zum Couchtisch. Sie hatte ein Tablett mit vier Champagnergläsern und eine Flasche Champagner bringen lassen, die in einem frostig beschlagenen silbernen Kübel ruhte. Vera nahm die Flasche und begann die Silberfolie zu lösen. »Setzt euch. Wir können einen Schluck trinken.«
»Ich trinke nichts, vielen Dank«, sagte Dietz. »Ich muss arbeiten.« Und dann zu mir: »Sperren Sie die Tür hinter mir ab. Wenn das Telefon klingelt, dürfen Sie rangehen, aber sagen Sie nicht, wer Sie sind. Ist es jemand, den Sie kennen, fassen Sie sich kurz. Geben Sie niemandem auch nur die geringste Information. Wenn der Anrufer »falsch verbunden< sagt, informieren Sie mich. Wahrscheinlich möchte er nur herausfinden, ob jemand im Zimmer ist.« Er sah auf seine Uhr. »Ich bin Punkt sieben zurück, um Sie in den Bankettsaal zu bringen.«
Als Dietz gegangen war, streckte Vera die Arme über den Kopf und tanzte einen Shimmy. »Also los!«, sagte sie, hüpfte ein paar Mal und stieß, während sie mit den Füßen stampfte, einen Freudenschrei aus. Sie dröselte den Draht an der Champagnerflasche auf, legte ein Handtuch über den Flaschenhals und schob den Korken mit beiden Daumen so lange hin und her, bis er herausschoss. Sie füllte zwei Gläser und reichte mir eins. »Ich bin schon geschminkt«, sagte sie. »Warum springst du nicht unter die Dusche, während ich mich anziehe? Dann frisieren wir dich.«
»Geduscht hab ich schon. Ich brauche nur noch den schwarzen Anzug überzuziehen und bin fertig.«
Sie warf mir einen Blick zu, der mir sehr deutlich zu verstehen gab, wie falsch ich lag.
Von ihr kritisch beobachtet, schlüpfte ich aus den Jeans in den schwarzseidenen Overall. Sie zuckte nur leicht zusammen, als sie meine Verletzungen sah. Mein Gesichtsausdruck glich inzwischen dem eines kränkelnden Hundes auf dem Weg zum Tierarzt. Brrr. Make-up. Ich zog die Hose hoch und fing an, sie an der Taille aufzurollen.
Vera gab mir einen Klaps auf die Hand. »Das darfst du nicht.« Sie kniete nieder, schlug die Hosenbeine bis zu einer Länge um, die sie für richtig hielt, und befestigte sie dann mit einem Stoffklebeband, das sie in der Handtasche mitgebracht hatte.
»Du denkst wirklich an alles«, sagte ich.
»>Allzeit bereit< ist meine Spezialität, mein Schatz.«
Dann ging sie daran, mein restliches Ich aufzupolieren. Ein Handtuch als Frisiermantel um die Schultern, saß ich auf dem Toilettendeckel. Veras Gestalt schob sich zwischen mich und den von Wand zu Wand reichenden Spiegel über den Waschbecken. »Was willst du mit den blauen Flecken in meinem Gesicht machen?«
»Vertrau mir, Kleine.«
Sie hatte Flaschen mit Tinkturen und Puder, Lotionen, Cremes und dicke Theaterschminke in Tiegeln, außerdem Pinsel, Sprühdosen, Schwämme, Wattestäbchen. Während sie arbeitete, hing ihr Gesicht dicht über dem meinen. Sie rasselte Befehle herunter: »Mach die Augen zu. Jetzt schau nach oben... Du lieber Gott, hör auf zu zwinkern! Du machst ja alles wieder kaputt.« Sie trug den Lippenstift mit einem Pinsel auf und machte mir mit ihren Lippen vor, wie ich die meinen formen sollte.
Vierzig Minuten später trat sie zurück und betrachtete ihr Werk. Sie drehte den Lippenstift in die Hülse zurück. »Ja, jetzt gefällt’s mir«, sagte sie. »Wie findest du’s?« Sie ging zur Seite, damit ich mich im Spiegel betrachten konnte.
Ich sah mich an. Plötzlich hatte ich dramatische Augen, die Farben eines Mädchens in seiner ersten Jugendblüte und einen taufrischen Mund. Das Haar war kunstvoll aufgetürmt und sah aus, als sei ein Windstoß hineingefahren.
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