Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist
Ich krümmte mich vor Lachen.
»Nur zu, lach ruhig«, sagte sie schroff. »Du siehst verdammt gut aus.«
Dietz kam Punkt sieben zurück und sah uns beide wortlos an. Vera war in genau sechs Minuten fertig gewesen. Ihre persönliche Bestzeit, sagte sie. Sie trug ein tief ausgeschnittenes schwarzes Kleid, aus dem die üppigen Brüste ins Freie drängten, schwarze Strumpfhosen mit Naht, schwarze Schuhe mit Pfennigabsätzen. Sie blieb stocksteif stehen und stützte die Hände in die Hüften. »Nun, was sagen Sie, Dietz?«
»Sie sehen großartig aus. Ehrlich. Sie sehen beide prima aus.«
»>Prima< trifft es nicht annähernd«, sagte Vera zu ihm. Und dann zu mir: »Ich wette, er nennt Frauen noch immer >Mädels<.«
»Bisher noch nicht«, sagte ich.
Dietz lächelte vor sich hin, mischte sich jedoch nicht ein. Er führte uns durch die Halle und dann an drei Türen vorbei in den sicheren Bankettsaal, der zwar klein, aber elegant war. Kronleuchter, weiße Holztäfelung, an den Wänden cremefarbene Seidentapeten. Sechs Tische für jeweils sechs Personen waren gedeckt. Tischschmuck war ein Orchideenzweig. Jeder Tisch trug eine Nummer, und an jedem Platz lag eine handgeschriebene Tischkarte.
Viele Angestellte der CF waren schon da, standen in Dreier- und Vierergruppen beisammen, Drinks in der Hand. Ich entdeckte Mac Vorhies und seine Frau Mary, Jewel und ihren Mann (dem ich bisher nur einmal begegnet war), Darcy Pascoe und ihren Freund, den (angeblich) mit Drogen dealenden Postboten. Vera schob Dietz die Hand unter den Arm, und zu dritt machten wir die Runde durch den Saal, wurden vorgestellt und stellten vor und vergaßen prompt wieder, wer wer war. Ich merkte, dass Vera den Blick schweifen ließ und zwischen den vielen Köpfen den Kopf von Neil Hess suchte. Ich hoffte nur, er war groß genug, so dass sie ihn auch sah.
Dietz holte für uns alle Getränke. Reines Sodawasser mit einer Zitronenscheibe für sich, Weißwein für mich und für Vera einen Tequila Sunrise. Sie kippte ihn hinunter und holte sich einen zweiten. Ich beobachtete sie interessiert. Noch nie hatte ich Vera so nervös erlebt. Sie wandte sich an Dietz. »Gütiger Gott, wie können Sie trinken, ohne eine Zigarette zu rauchen?«
»Das ist kein Alkohol.«
Sie verdrehte die Augen. »Das ist ja noch schlimmer. Ich werde eine qualmen. Nein, das werde ich nicht. Oder vielleicht eine Einzige. Einen Zug.«
»Ist das Neil?«, fragte ich. In der Tür stand ein Mann, der wie ein Arzt aussah und Ausschau nach einem bekannten Gesicht zu halten schien. Ohne Vergleichsmöglichkeit war es unmöglich zu sagen, wie klein er war, aber für mich sah er okay aus. Angenehmes Gesicht, modisch geschnittenes dunkles Haar. Er trug einen marineblauen Anzug, hellblaues Hemd, und ich hätte wetten können, dass er Manschettenknöpfe mit Monogramm hatte. Die Fliege kam unerwartet — ich hatte seit Jahren keine mehr gesehen. Vera hob die Hand. Sein Gesicht leuchtete auf, als er sie entdeckte. Er begann auf unsere Gruppe zuzugehen, und sie lief ihm entgegen und nahm seinen Arm, als sie sich in der Saalmitte trafen. Sie musste sich ein bisschen bücken, wenn sie mit ihm sprach, doch der Größenunterschied zwischen ihnen kam mir nicht besonders krass vor. Ich versuchte mir seinen Kopf auf meinem Kissen vorzustellen, aber das funktionierte einfach nicht.
17
Vera, die für die Sitzordnung verantwortlich war, hatte Neil Hess und mich natürlich zusammengesetzt. Sie und Dietz saßen am linken Nebentisch. Offenbar hatte Dietz bis zu einem gewissen Punkt seinen Willen bekommen und dafür gesorgt, dass ich sicher in einer Ecke des Saales untergebracht war und den Eingang im Blick hatte. Dietz kehrte mir den Rücken zu und behielt ebenfalls den Eingang im Auge. Vera zu seiner Linken saß in ganzer Größe vor mir, während ich von ihm nur den Hinterkopf sah. Beide Tische standen in der Nähe eines Notausgangs, der, wie der Sicherheitschef des Hotels Dietz versprochen hatte, während des ganzen Dinners unverschlossen bleiben sollte.
Um acht Uhr waren alle da, und die Gruppen ließen sich an den Tischen nieder wie eine Vogelschar. Der Lärmpegel stieg um mehrere Dezibel an; schuld daran war der Alkohol, der bereits konsumiert worden war. Die Leute standen in beruflicher Beziehung zueinander, und etwas wie Unsicherheit oder Unbehagen machte sich breit, als man sich plötzlich rein gesellschaftlich traf. Die drei Gänge des Dinners wurden gemächlich serviert: junger Kopfsalat, ausgelöste
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