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Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Titel: Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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kompakten Räume, in denen jeder Quadratzentimeter genutzt wird. Links von mir war ein Dieselofen, rechts befand sich ein Sortiment von Geräten und Apparaten: Radio, Kompaß, Feuerlöschgerät, Meßgeräte für die Windgeschwindigkeit, die elektrische Anlage mit Heizung, Hauptschalter und Startbatterie für den Motor. Ich sah, daß an einem der Sofakissen noch das Verkaufsetikett hing. Die Polster waren alle mit dunkelgrünem Leinen bezogen und weiß gepaspelt.
    »Hübsch«, sagte ich.
    Er errötete vor Freude. »Es gefällt Ihnen?«
    »Sehr«, versicherte ich und ging zu einem der Sofas, um mich zu setzen. Ich streckte meinen Arm auf dem Polster aus. »Bequem«, bemerkte ich. »Wie lange haben Sie das Boot schon?«
    »Ungefähr ein Jahr«, antwortete er. »Kurz nach Wendells Verschwinden wurde es von den Finanzbehörden beschlagnahmt. Ich war ungefähr anderthalb Jahre lang Gast des FBI. Danach war ich pleite. Als ich wieder etwas Geld zusammengekratzt hatte, mußte ich erst mal den Kerl finden, der das Boot dem Staat abgekauft hatte. Das war vielleicht ein Theater, ehe er sich endlich bereit erklärte zu verkaufen. Dabei konnte er mit dem Boot überhaupt nichts anfangen. Es sah grauenhaft aus, als er es mir schließlich übergab. Ich weiß nicht, warum manche Leute so dämlich sind.« Er legte sein Jackett ab und lockerte seinen Schlips, um den obersten Knopf seines Hemds öffnen zu können. »Möchten Sie noch ein Glas Weißwein? Ich habe eine Flasche im Kühlschrank.«
    »Ein halbes Glas«, sagte ich. Er palaverte ein Weilchen über das Segeln, bis ich schließlich die Rede wieder auf Jaffe brachte. »Wo wurde das Boot damals gefunden?«
    Er öffnete den Minikühlschrank und nahm eine Flasche Chardonnay heraus. »Vor Baja. Ungefähr sechs Meilen draußen sind riesige Wandersandbänke. Es sah so aus, als sei das Boot auf Grund gelaufen und nach einer Weile mit der Tide wieder weggetrieben.« Er schälte die Silberfolie vom Hals der Weinflasche, nahm einen Korkenzieher und öffnete die Flasche.
    »Er hatte keine Crew?«
    »Er segelte lieber allein. Ich habe ihm an dem Tag nachgesehen, als er hinausgesegelt ist. Orangefarbener Himmel und orangefarbenes Wasser mit einer trägen, hohen Dünung. War ein ganz merkwürdiger Tag. Wie in dem Gedicht Rime of the Ancient Mariner. Haben Sie das in der Schule gelernt?«
    Ich schüttelte den Kopf. »In der Schule habe ich hauptsächlich fluchen und kiffen gelernt.«
    Er lächelte. »Wenn man die Kanalinseln hinter sich läßt, segelt utan durch eine Lücke zwischen den Bohrinseln hinaus. Er drehte sich um und winkte, als er ablegte. Ich sah ihm nach, bis er den Hafen verlassen hatte, und das war das letzte Mal, daß ich ihn gesehen habe.« Sein Ton hatte etwas Hypnotisches; schwacher Neid und schwaches Bedauern mischten sich in ihm. Er goß den Wein in ein Glas und reichte es mir.
    »Wußten Sie, was er tun wollte?«
    »Was hat er denn getan? Ich weiß es im Grunde bis heute nicht.«
    »Nun, allem Anschein nach türmte er«, sagte ich.
    Eckert zuckte mit den Achseln. »Ich weiß, daß er verzweifelt war. Ich glaubte nicht, daß er uns alle reinlegen wollte. Ich versuchte damals — besonders als sein Abschiedsbrief an Dana bekannt wurde — , den Gedanken an seinen Selbstmord zu akzeptieren. Ich hätte ihm so etwas nicht zugetraut, aber alle anderen waren überzeugt — wie kam ich da dazu, etwas dagegen zu sagen?«
    Er goß sich selbst ebenfalls etwas Wein ein, stellte die Flasche weg und setzte sich auf das Sofa mir gegenüber.
    »Nicht alle«, korrigierte ich ihn. »Die Polizei hatte Zweifel. Und die California Fidelity ebenfalls.«
    »Und Sie werden jetzt Lorbeeren ernten, wie?«
    »Nur wenn wir Geld zurückbekommen.«
    »Das halte ich für ziemlich unwahrscheinlich. Dana hat bestimmt schon alles ausgegeben.«
    Darüber wollte ich nicht nachdenken. »Wie war Ihnen damals bei Jaffes >Tod< zumute?«
    »Schrecklich, natürlich. Ich habe ihn tatsächlich vermißt, obwohl ich von allen Seiten unter Beschuß stand. Das Verrückte ist, daß er es mir praktisch gesagt hatte. Ich glaubte ihm nicht, aber er hat versucht, mich zu warnen.«
    »Er hat Ihnen gesagt, daß er die Absicht hatte, zu verschwinden?«
    »Na ja, er hat so was angedeutet. Ich meine, direkt gesagt hat er’s nie. Es war so eine Bemerkung, die man auslegen kann, wie man will. Er kam zu mir, ich glaube, es war im März, ungefähr sechs oder sieben Wochen, bevor er segelte. Und er sagte: >Carl, alter Kumpel, ich

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