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Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Titel: Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Massenhysterie zu genießen. Sie hat den Sportsfreunden sogar das Bord hinter dem Tresen zur Ausstellung ihrer Hardware zur Verfügung gestellt, als da sind silberne Pokale und geflügelte Siegesgöttinnen, die Kugeln über ihren Köpfen in die Höhe halten. Heute die Bowlingmeisterschaft, morgen die freie Welt.
    Wie immer war der Laden brechend voll, und mein Lieblingstisch ganz hinten war von einer Meute Rowdys besetzt. Von Rosie war nirgends eine Spur zu sehen. Auf einem Hocker am Tresen hockte William und sah sich mit einem Ausdruck tiefster Genugtuung im Saal um. Sämtliche Gäste schienen ihn zu kennen, und es flog eine Menge gutmütiger Frotzeleien hin und her.
    Henry saß allein an einem Tisch, den Kopf über einen Schreibblock gebeugt, auf dem er gerade ein Kreuzworträtsel unter dem Titel >Ich sehe was, was du nicht siehst< entwarf. Er arbeitete schon seit mehreren Tagen an dem Rätsel, dessen Thema Spionageromane und alte Fernsehserien waren. Er publiziert regelmäßig in den kleinen Rätselmagazinen, die man überall kaufen kann. Er hat dadurch nicht nur ein kleines Nebeneinkommen, sondern er ist den Rätselfreunden tatsächlich ein Begriff. Sein Gesicht verriet angestrengte Konzentration.
    Ich zog den freien Stuhl heraus, der an seinem Tisch stand, drehte ihn herum, so daß die Rückenlehne den Tisch berührte, und setzte mich rittlings darauf, die Unterarme auf die Lehne gelegt.
    Henry warf mir einen unwirschen Blick zu, sah, daß ich es war, und wurde freundlich. »Ich dachte, du wärst eine von >denen<.«
    Ich sah mich um. »Was ist hier passiert? Vor einem Jahr noch war die Bude immer leer. Jetzt geht’s zu wie auf dem Jahrmarkt. Na, wie läuft’s?«
    »Ich brauche ein Wort mit zehn Buchstaben, das mit S-c-h anfängt. Aufhören kann es eigentlich, wie es will.«
    Mir fiel sofort ein Wort ein, und ich zählte die Buchstaben an meinen Fingern ab. »Schwindler«, sagte ich.
    Er starrte mich mit leerem Blick an, während er nachzählte. »Nicht schlecht. Das nehme ich. Und jetzt fünf Buchstaben senkrecht —«
    »Schluß«, unterbrach ich ihn. »Du weißt, ich hab’ dafür überhaupt kein Talent, und außerdem macht’s mich nervös. Ich habe einmal einen Treffer gelandet. Ich höre auf, solange ich im Plus bin.«
    Er warf seinen Blick auf den Tisch und klemmte sich den Bleistift hinter das linke Ohr. »Recht hast du. Es ist Zeit, Schluß zu machen für heute. Was trinkst du? Komm, ich lade dich ein.«
    »Ich trinke nichts. Ich hab’ schon genug getrunken. Aber ich leiste dir Gesellschaft, wenn du dir noch was bestellst.«
    »Ach, mir reicht’s auch. Wie war der Besuch bei Dana Jaffe? Hat er was gebracht?«
    »Das habe ich gar nicht erwartet. Ich wollte eigentlich nur ihre Bekanntschaft machen. Ich habe mich auch mit Jaffes ehemaligem Geschäftspartner unterhalten.«
    »Und?«
    Während ich ihm von meinen Gesprächen mit Dana Jaffe und Carl Eckert berichtete, sah ich Henrys Blick zur Küche schweifen und drehte mich automatisch um. »Na bitte, wer sagt’s denn!« rief ich.
    William trat mit einem vollen Tablett heraus, einer nicht unerheblichen Last für einen Mann von sechsundachtzig Jahren. Wie immer war er im Anzug mit Weste, trug ein Hemd mit gestärktem Kragen und eine vorbildlich geknotete Krawatte. Er sah Henry so ähnlich, daß er sein Zwilling hätte sein können; doch in Wirklichkeit waren die beiden zwei Jahre auseinander. William wirkte hochzufrieden mit sich, gutgelaunt und tatenfroh. Es war das erste Mal, daß ich diese Veränderungen an ihm registrierte. Vor sieben Monaten, als er bei Henry eingezogen war, war er nur um sich selbst und seine mannigfaltigen Krankheiten und Leiden gekreist. Er hatte seine ganze Krankengeschichte von zu Hause mitgebracht und überprüfte dauernd seinen Gesundheitszustand: seinen Herzschlag, seine Darmtätigkeit, seine Allergien. Eine seiner Lieblingsbeschäftigungen war es, zu Beerdigungen zu gehen und mit den anderen Trauergästen sein Beileid zu bekunden, um sich davon zu überzeugen, daß er selbst noch nicht tot war. Nachdem er dem Liebesglück mit Rosie begegnet war, hatte sich seine Stimmung zusehends aufgehellt, und jetzt war es gar so weit, daß er Seite an Seite mit ihr arbeitete. Als er sah, daß wir ihn beobachteten, grinste er vergnügt. Er stellte das Tablett ab und begann die Teller zu verteilen. Einer der Gäste am Tisch sagte etwas zu ihm. Er lachte und schlug dem Mann kumpelhaft auf den Rücken.
    »Worüber ist er denn so

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