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Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Titel: Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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steig’ aus. Diese ganze verdammte Chose bricht über uns zusammen. Ich halte das nicht mehr aus. Es ist zuviel.< Oder so was Ähnliches. Ich dachte, er wolle nur Dampf ablassen. Ich wußte, daß wir Riesenprobleme hatten, aber wir hatten schon des öfteren in solchen Klemmen gesteckt und waren immer wieder heil herausgekommen. Ich sah das Ganze nur als eine weitere haarige Episode in der >Carl-und-Wendell-Show<. Und dann höre ich, daß sie das Boot auf dem Meer treibend gefunden haben. In der Rückschau fragt man sich — nun, was er wohl gemeint hat, als er von >Aussteigen< sprach, Abhauen oder Selbstmord.«
    »Aber Sie waren so oder so der Dumme, richtig?«
    »Richtig. Gleich als erstes haben sie die Bücher geprüft. Ich hätte natürlich in dem Moment auch einfach verschwinden können, mit nichts als dem, was ich auf dem Leib hatte, aber darin konnte ich keinen Sinn sehen. Ich hätte gar nicht gewußt, wohin. Ich hatte keinen Cent, es blieb mir also gar nichts anderes übrig, als die Sache durchzustehen. Unglücklicherweise hatte ich vom Ausmaß dessen, was er getan hatte, keine Ahnung.«
    »War es wirklich Betrug?«
    »Im großen Stil, ja. Jeden Tag wurde etwas Neues aufgedeckt. Er hatte die Firma völlig ausgeblutet. In dem Brief, den er hinterließ, behauptete er, er hätte jeden Cent wieder in die Firma gesteckt, aber ich habe nicht einen Beweis dafür gesehen, daß es so war. Aber was wußte ich schon? Als ich schließlich begriff, wie schlimm es wirklich war, gab es kein Entkommen mehr. Ich hatte nicht einmal mehr eine Möglichkeit, meine persönlichen Verluste wiedergutzumachen.« Er schwieg einen Moment und zuckte mit den Achseln. »Was soll ich sagen? Wendell war fort, und wir waren die Dummen. Ich habe alles hergegeben, was ich besaß. Ich habe mich für schuldig erklärt, weil ich dachte, das würde sich gut machen, und habe die Gefängnisstrafe auf mich genommen, nur um das alles hinter mich zu bringen. Und jetzt erzählen Sie mir, daß er lebt. Wenn das kein Witz ist!«
    »Sie sind verbittert?«
    »Aber natürlich.« Er stützte seinen Arm auf die Rückenlehne des Sofas und rieb sich die Stirn. »Ich kann verstehen, daß er raus Wollte. Anfangs war mir das Ausmaß seines Verrats nicht klar. Dana und die Kinder taten mir leid, aber ich konnte nichts tun, wenn der Mann tot war.« Wieder zuckte er mit den Achseln. Er lächelte bitter, dann richtete er sich mit plötzlicher Energie auf. »Ach was, zum Teufel! Es ist vorbei, und das Leben geht weiter.«
    »Das ist eine sehr großzügige Haltung, finde ich.«
    Er machte eine achtlose Handbewegung. Dann sah er auf seine Uhr. »Ich muß Schluß machen. Ich habe morgen um sieben ein Arbeitsfrühstück. Da muß ich ausgeschlafen sein. Soll ich Sie hinausbegleiten?«
    Ich stand auf und stellte mein Weinglas nieder. »Nein, das ist nicht nötig«, antwortete ich. »Das schaffe ich schon. Bis zum Tor ist es ja nicht weit.« Ich reichte ihm die Hand. »Ich danke Ihnen. Sie werden wahrscheinlich wieder von mir hören. Haben Sie meine Karte noch?«
    Er zog eine Ecke der Karte aus seiner Hemdtasche.
    »Wenn Wendell Jaffe sich meldet, würden Sie mir dann Bescheid geben?«
    »Auf jeden Fall«, versicherte er.
    Ich kletterte vorsichtig die Treppe hinauf und zog den Kopf ein, als ich durch die Luke an Deck stieg. Hinter mir spürte ich Eckerts Blick. Mit einem versonnenen Lächeln sah er mir nach. Seltsam, aber im nachhinein erschien mir Dana Jaffes Reaktion wahrhaftiger.

9
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    Für den Weg nach Hause brauchte ich keine zehn Minuten. Ich war immer noch hellwach, erfrischt durch die herbe Seeluft. Anstatt die Tür aufzudrücken und hineinzugehen, machte ich kehrt und ging die Straße hinunter zu Rosies Kneipe an der Ecke.
    Früher war in Rosies schummriger Kneipe, die zweifellos rund um die Uhr von der Gesundheitspolizei überwacht wurde, immer gähnende Leere gewesen. Ich pflegte mich dort mit Klienten zu treffen, weil einen nie jemand störte. Ich konnte mich auch allein jederzeit reinsetzen, ohne angemacht zu werden. Rosie rückte mir vielleicht auf die Pelle, aber sonst niemand. In jüngster Zeit jedoch hatten die Sportfans den Laden entdeckt, und eine Reihe von Vereinen hat ihn sich zur Stammkneipe erkoren, in der man sich besonders gern zusammensetzt, wenn man gerade einen Wettbewerb gewonnen hat und das Bedürfnis zu feiern verspürt. Rosie, die ausgesprochen ekelhaft sein kann, scheint diesen ganzen Rummel samt überschüssigem Testosteron und

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