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Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Titel: Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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allgemeine Schäbigkeit auffiel. Der Spannteppich war Synthetik bester Qualität, jedoch wegen seiner »Strapazierfähigkeit« ausgewählt worden, Synonym für kleine scheckige Muster, auf denen Flecken garantiert nicht auffallen. Das Großraumbüro mit Dutzenden ineinandergeschachtelter kleiner Arbeitsplätze für die Sachbearbeiter wirkte eng und gedrängt. Außen herum waren die verglasten Büros der leitenden Angestellten. Die Wände brauchten einen frischen Anstrich, an Holzleisten und Verschalungen blätterte die Farbe ab. Vera sah auf, als ich an ihrem Schreibtisch vorbeikam. Nur ich konnte ihre Grimassen sehen, die verdrehten Augen und die herausgestreckte Zunge, die zeigen sollten, wie sehr das alles hier sie anödete.
    Wir trafen uns in Titus’ Büro. Ich hatte den Mann seit dem Tag unseres Rencontres nicht mehr gesehen. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete, und wußte nicht recht, wie ich mich verhalten sollte. Er machte es mir leicht, indem er mich freundlich begrüßte, ganz so, als sähen wir einander zum erstenmal und hätten nie ein böses Wort gewechselt. Es war ein ausgesprochen brillanter Schachzug von ihm. Er enthob mich der Notwendigkeit, mich zu verteidigen oder zu entschuldigen, und befreite sich selbst von der Bürde, auf unser vergangenes Arbeitsverhältnis Bezug zu nehmen. Binnen sechzig Sekunden stellte ich fest, daß es keine Verbindung mehr gab. Der Mann hatte jetzt keine Macht mehr über mich. Die Schulden auf beiden Seiten waren bezahlt, und wir hatten beide das bekommen, was wir gewollt hatten. Er war den, wie er sagte, »überflüssigen Ballast« losgeworden. Ich hatte mir einen Arbeitsplatz in einem Klima gesucht, das mir sympathischer war.
    Doch kehren wir in die Gegenwart zurück. Mac Voorhies und Gordon Titus hätten gegensätzlicher kaum sein können. Macs brauner Anzug war so zerknittert wie ein Herbstblatt, seine Zähne und das Büschel weißen Haars, das ihm in die Stirn fiel, waren vom Nikotin verfärbt. Gordon Titus trug ein eisblaues elegantes Hemd, dessen Ärmel er aufgekrempelt hatte. Die graue Hose hatte messerscharfe Bügelfalten, der Farbton paßte genau zu seinem vorzeitig ergrauten Haar. Seine Krawatte setzte einen farbigen Akzent, der so scharf und präzise war wie sein geschäftliches Verhalten. Selbst Mac wagte es nicht, in seiner Gegenwart eine Zigarette anzuzünden.
    Titus setzte sich an seinen Schreibtisch und schlug die Akte auf, die er vor sich hatte. Ganz typisch für ihn, hatte er die relevanten Daten über Dana und Wendell Jaffe zusammengefaßt. In säuberlich eingerückten Absätzen zogen sich die Zeilen quer über das Papier, das hier und dort, wo er mit dem Füller zu fest aufgedrückt hatte, kleine Löcher hatte. Er sprach, ohne mich anzusehen, und sein Gesicht war so ausdrucksleer wie das einer Schaufensterpuppe. »Mac hat mich bereits aufs laufende gebracht, wir brauchen also nicht zu rekapitulieren«, sagte er. »Was ist der derzeitige Stand der Dinge?«
    Ich holte meinen Stenoblock heraus, blätterte zu einer leeren Seite und berichtete, was ich über Danas gegenwärtige Situation wußte. Ich ging soweit wie möglich ins Detail und sagte am Ende zusammenfassend: »Sie hat wahrscheinlich einen Teil der Versicherungssumme dazu verwendet, das Haus ihres Sohnes Michael zu finanzieren. Und einen anderen ansehnlichen Teil wird sie als Pauschale für Brians Anwalt hingelegt haben.«
    Titus machte sich Notizen. »Haben Sie mit unseren Anwälten über unsere Position in dieser Sache gesprochen?«
    »Wozu denn?« mischte Mac sich ein. »Was besagt es denn schon, wenn Jaffe seinen Tod vorgetäuscht hat? Was für ein Verbrechen hat er begangen? Verstößt es gegen das Gesetz, einen Selbstmord vorzutäuschen?« rief er.
    »O ja, wenn man es in der Absicht tut, die Versicherungsgesellschaft zu betrügen«, versetzte Titus beißend.
    Mac entgegnete mit ungeduldiger Miene: »Aber wo ist denn der Betrug? Welcher Betrug? Bis jetzt wissen wir nicht, ob er auch nur einen einzigen Cent kassiert hat.«
    Titus sah Mac an. »Da haben Sie völlig recht. Um ganz genau zu sein, wir wissen nicht einmal, ob wir es tatsächlich mit Jaffe zu tun haben.« Er wandte sich an mich: »Ich möchte konkrete Beweise, Fingerabdrücke oder sonst was.«
    »Ich tue, was ich kann«, sagte ich in einem Ton aus Zweifel und Verteidigung. Ich machte mir eine Notiz auf dem leeren Blatt, nur um geschäftig zu wirken. Die Notiz lautete: >Wendell suchen.< Als hätten da Unklarheiten

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