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Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Titel: Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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nannte dem Beamten am Schalter meinen Namen und Wurde zur Wache verwiesen, wo ich wiederum meine Papiere vorlegte. Ich mußte einen Moment warten, während der Beamte telefonierte, um festzustellen, ob der Leiter der Gefängnisverwaltung im Haus sei. Sobald ich den Namen des Mannes hörte, wußte ich, daß das Glück mir hold war. Ich war mit Tommy Ryckman zusammen zur Schule gegangen. Er war zwei Klassen über mir gewesen, aber wir hatten es damals, als man das noch ohne Angst vor Tod oder Krankheit tun konnte, ziemlich schlimm miteinander getrieben. Erst war ich mir nicht sicher, ob er sich an mich erinnern würde, aber offenbar wußte er gleich, wer ich war. Er war sofort bereit, mit mir zu sprechen.
    Als ich sein kleines Büro betrat, stand er, lang und schlaksig wie immer, aus seinem Sessel auf und sagte mit einem breiten Lächeln: »Mann, wir haben uns wirklich viel zu lange nicht gesehen! Wie geht’s dir?«
    »Gut, Tommy. Und dir?«
    Über den Schreibtisch hinweg reichten wir uns die Hände, gaben unserer Wiedersehensfreude Ausdruck, tauschten kurze Zusammenfassungen dessen aus, was wir erlebt hatten, seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten. Er war jetzt Mitte Dreißig, glattrasiert mit weichem braunen Haar, das seitlich gescheitelt und an seinen Kopf angeklatscht war. Ein wenig begann sich sein Haar schon zu lichten, und seine Stirn war faltig, wie von den Zinken einer Gabel durchzogen. Er trug eine Nickelbrille, seine khakifarbene Uniform, die ihn als Angehörigen des Sheriff’s Department auswies, war gestärkt und tadellos gebügelt. Die Hose sah aus, als wäre sie ihm auf den Leib geschneidert worden. Er hatte lange Arme und große Hände und trug natürlich einen Ehering.
    Er wies mich zu einem Sessel und ließ sich wieder hinter seinem Schreibtisch nieder. Selbst im Sitzen konnte er die Figur eines Basketballspielers nicht verleugnen. Seine Beine waren so lang, daß die Knie über der Kante des Schreibtischs zu sehen waren. Die schwarzen Schuhe mußten mindestens Größe 45 sein. Wenn er sprach, klang immer noch ein leichter Akzent durch, und ich erinnerte mich, daß er mitten im Schuljahr aus dem Mittleren Westen — Wisconsin? — nach Santa Teresa gekommen war. Auf dem Schreibtisch stand eine Fotografie, die eine betulich aussehende Frau und drei Kinder zeigte, zwei jungen und ein Mädchen, alle mit braunem Haar, das ordentlich gekämmt war, alle mit Brille. Zwei der Kinder waren in dem Alter, in dem ihnen dauernd irgendwelche Zähne fehlen.
    »Du bist wegen Brian Jaffe hier?«
    »Mehr oder weniger«, antwortete ich. »Eigentlich interessiert mich mehr, wo sein Vater abgeblieben ist.«
    »Das hörte ich. Lieutenant Whiteside hat mir erzählt, was los ist.«
    »Kennst du den Fall? Ich habe einiges darüber gehört, aber nur oberflächlich.«
    »Ein guter Freund von mir hat mit Lieutenant Brown zusammen den Fall bearbeitet. Er hat mir einiges erzählt. Hier weiß so ziemlich jeder von der Sache. Einige Leute sind mit der CSL übel auf die Nase gefallen. Es war ein Schwindel nach dem Lehrbuch. Mein Freund ist inzwischen versetzt worden, aber du solltest auf jeden Fall mit Harris Brown sprechen, wenn wir dir nicht weiterhelfen können.«
    »Ich versuche schon eine ganze Weile, ihn zu erreichen, aber er ist ja jetzt wohl im Ruhestand?«
    »Das stimmt, aber ich bin sicher, er würde sich nach Kräften bemühen, dir zu helfen. Weiß der Junge, daß die Chance besteht, daß sein Vater noch lebt?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe eben mit seiner Mutter gesprochen, und die hat ihm noch nichts gesagt. Er ist doch gerade erst nach Perdido zurückgebracht worden, nicht?«
    »Ja. Wir haben übers Wochenende zwei Deputys nach Mexicali geschickt, um den Jungen herbringen zu lassen. Er ist gestern abend hier angekommen.«
    »Wäre es möglich, daß ich ihn sehen kann?«
    »Heute wahrscheinlich nicht. Im Augenblick ist Essenszeit und danach muß er zur ärztlichen Untersuchung. Du kannst es aber morgen oder übermorgen mal versuchen, solange er keine Einwände hat.«
    »Wie hat er es eigentlich geschafft, aus Connaught herauszukommen?«
    Tommy Ryckman wich meinem Blick aus. »Darüber sprechen wir lieber nicht«, sagte er. »Sonst steht’s morgen in der Zeitung, und alle Welt weiß Bescheid. Sagen wir, die Häftlinge entdeckten eine kleine Lücke im Netz und haben die Gelegenheit genutzt. Noch einmal wird das nicht passieren, das kannst du mir glauben.«
    »Wird man ihn als Erwachsenen behandeln?«
    Tommy

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