Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Titel: Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
anderen Kinder ihm das Leben schwergemacht haben. Bald prügelte er sich mit anderen und schwänzte einfach die Schule. Vandalismus, kleine Diebstähle. Es war ein Alptraum.« Sie klopfte ihre Zigarette an dem überquellenden Aschenbecher ab.
    »Und Michael?«
    »Der war genau das Gegenteil. Manchmal glaube ich, Michael benutzte die Schule als Mittel, um die Wahrheit zu verdrängen. Brian war hypersensibel, Michael legte sich einen Panzer zu. Wir haben mit Schulberatern und Lehrern gesprochen. Ich weiß nicht, wie viele Sozialarbeiter bei uns waren. Jeder hatte seine eigene Theorie, aber nichts half. Ich hatte kein Geld, um wirklich qualifizierte Hilfe zu bezahlen. Brian war so intelligent, und er schien so begabt zu sein. Es hat mir wirklich das Herz gebrochen. Aber Wendell, mein Mann, war natürlich in vieler Hinsicht genauso. Kurz und gut, ich wollte nicht, daß die Jungen glaubten, er habe sich das Leben genommen. Das war nicht seine Art. Unsere Ehe War gut, und er liebte die Kinder. Er war sehr auf die Familie bezogen. Da können Sie jeden fragen. Ich war überzeugt, daß er absichtlich niemals etwas tun würde, was uns geschadet hätte. Ich habe immer geglaubt, daß Carl Eckert derjenige war, der die Bücher frisiert hat. Vielleicht hat Wendell es nicht geschafft, den Dingen ins Auge zu sehen. Ich will ja gar nicht behaupten, daß er nicht auch seine Schwächen hatte. Er war nicht vollkommen, aber er hat sich bemüht.«
    Ich ließ es dabei bewenden. Mir lag nichts daran, ihre Version der Ereignisse in Frage zu stellen. Ich sah ihren stockenden Versuch, die Familiengeschichte zu korrigieren. Die Toten sind immer leichter zu charakterisieren. Man kann ihnen jede Einstellung und jedes Motiv zuschreiben, ohne Widerspruch fürchten zu müssen.
    »Ich nehme an, Ihre beiden Söhne sind sehr verschieden«, sagte ich.
    »Ja, das stimmt. Michael ist offensichtlich der verläßlichere, zum Teil sicher, weil er älter ist und sich als Beschützer fühlt. Er war immer ein sehr vernünftiges Kind, Gott sei Dank. Er war der einzige, auf den ich mich nach Wendells — nach dem, was Wendell zugestoßen war, verlassen konnte. Zumal Brian ja völlig außer Kontrolle geraten war. Wenn Michael einen Fehler hat, dann den, daß er zu ernst ist. Er bemüht sich immer, das Rechte zu tun. Juliet ist ein gutes Beispiel dafür. Er hätte sie nicht heiraten müssen.«
    Ich hielt ganz still und sagte nichts, weil mir klar war, daß sie mir hier eine kritische Information zu der Situation gab. Sie nahm an, ich sei bereits im Besitz der Fakten. Offensichtlich war Juliet schwanger gewesen, als Michael sie geheiratet hatte.
    Dana fuhr fast ohne Pause zu sprechen fort, und es klang, als spräche sie so sehr mit sich selbst wie mit mir.
    »Sie hat ihn weiß Gott nicht gedrängt. Sie wollte das Kind haben, ja, und sie brauchte finanzielle Unterstützung, Aber sie hat keineswegs auf einer Heirat bestanden. Die Heirat war Michaels Idee. Ich bin mir nicht sicher, daß es eine gute Idee war, aber bis jetzt machen die beiden ihre Sache ganz ordentlich.«
    »War es schwierig für Sie, sie hier im Haus zu haben?«
    Sie zuckte mit den Achseln. »Größtenteils habe ich es genossen. Juliet geht mir hin und wieder auf die Nerven, weil sie so eigensinnig ist. Alles muß immer nach ihrem Kopf gehen. Sie ist auf jedem Gebiet die absolute Expertin. Mit ihren achtzehn Jahren! Ich weiß, daß das ihrer eigenen Unsicherheit entspringt, aber es ist trotzdem nervig. Sie kann keine Hilfe von mir annehmen und kann es nicht ertragen, wenn man ihr Vorschläge macht. Sie hat von der Mutterschaft keine Ahnung. Ich meine, sie ist ganz verrückt mit dem Kleinen, aber sie behandelt ihn wie ein Spielzeug. Sie sollten sie sehen, wenn sie ihn badet. Das Herz bleibt einem stehen. Sie bringt es fertig, ihn allein auf der Wickelkommode liegen zu lassen, während sie weggeht, um irgendwas zu holen. Es ist ein Wunder, daß er noch nicht heruntergefallen ist.«
    »Und Brian? Wohnt er auch hier?«
    »Er und Michael hatten bis zu diesem letzten Zwischenfall eine kleine Wohnung zusammen. Nachdem Brian verurteilt worden war und seine Gefängnisstrafe antrat, konnte sich Michael die Wohnung nicht mehr leisten. Er verdient nicht soviel und dann Juliet — es war nicht zu machen. Sie hat an dem Tag, an dem er sie geheiratet hat, zu arbeiten aufgehört.«
    Mir fiel auf, wie geschickt sie alles schönfärbte. Wir sprachen nicht von einer ungeplanten Schwangerschaft, einer überstürzten

Weitere Kostenlose Bücher