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Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Titel: Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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nicht mehr sichtbar. Sie war eine typische Lückenspringerin und offenbar schon weit vor mir. Die ganze Fahrt hielt ich angestrengt nach ihr Ausschau, aber sie war weg, weg, weg. Zu spät fiel mir ein, daß ich die Gelegenheit versäumt hatte, mir ihr Kennzeichen zu notieren. Mein einziger Trost war die schlichte Vermutung, daß Wendell Jaffe wahrscheinlich nicht weit vom Schuß war, wenn Renata sich in der Gegend befand.

12
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    Wieder in Santa Teresa, fuhr ich sofort ins Büro, hievte meine Smith-Corona heraus und tippte meine Notizen ab — einen Bericht der Ereignisse der vergangenen zwei Tage, Namen, Adressen und andere Daten. Dann berechnete ich meine Arbeitszeit und rechnete Benzin und Meilengeld dazu. Ich würde der California Fidelity wahrscheinlich eine Pauschale von fünfzig Dollar pro Stunde in Rechnung stellen, aber ich wollte eine detaillierte Abrechnung parat haben, falls Gordon Titus mir pingelig kommen sollte. Tief im Inneren wußte ich, daß diese buchhalterische Gewissenhaftigkeit nichts als Ablenkung von der steigenden Erregung war, die mich erfaßt hatte. Jaffe mußte in der Nähe sein, aber was tat er, und was war nötig, um ihn ans Licht zu bringen? Wenigstens hatte sich meine Ahnung bestätigt — es sei denn Renata und Jaffe hatten sich getrennt, was ich nicht für wahrscheinlich hielt. Er hatte Familie hier. Ich war nicht sicher, ob sie ebenfalls Angehörige in der Gegend hatte. Ich nahm mir das örtliche Telefonbuch vor, fand aber keinen Eintrag unter dem tarnen Huff. Sie reiste wahrscheinlich genauso unter falschem tarnen wie er. Ich hätte so ziemlich alles gegeben, um den Mann Zu Gesicht zu bekommen, aber langsam bekam ich das Gefühl, daß das ungefähr so wahrscheinlich war wie eine Begegnung mit einem UFO.
    Immer wenn die Ermittlungen dieses Stadium erreicht haben, beginne ich ungeduldig zu werden. Und immer beschleicht mich das gleiche Gefühl — daß dieser Fall mir schließlich zum Verhängnis werden wird. Bisher habe ich noch keinen Auftrag verpfuscht. Zwar entwickeln sich die Dinge nicht immer ganz so, wie ich es voraussehe, aber bis jetzt habe ich noch jeden Fall aufgeklärt. Das Schwierige ist, daß es für den Privatdetektiv keine festen Regeln gibt. Es gibt kein eindeutiges Verfahren, keine Firmendirektiven, keine vorgeschriebene Strategie. Jeder Fall liegt anders, und letztlich kann man sich nur auf sein Gefühl verlassen. Wenn man jemandes Biographie überprüft, kann man natürlich die Ämter abklappern und sich über Vermögensverhältnisse und Grundbesitz, Geburten und Todesfälle, Heiraten, Scheidungen, Kreditwürdigkeit, geschäftlichen und privaten Leumund informieren. Jeder tüchtige Privatdetektiv lernt sehr rasch, wie man der Fährte aus Papierschnipseln folgt, die der private Bürger auf seinen Irrungen durch den Wald der Bürokratie hinterläßt. Aber der Erfolg bei der Suche nach einem Vermißten hängt von Einfallsreichtum, Beharrlichkeit und schlichtem Glück ab. Jeder Anhaltspunkt, den man sich schafft, basiert auf persönlichem Kontakt, und da ist es nicht schlecht, wenn man ein bißchen Menschenkenntnis besitzt.
    Ich setzte mich hin und dachte darüber nach, was ich bisher in Erfahrung gebracht hatte. Viel war es im Grunde nicht. Ich hatte nicht das Gefühl, Wendell Jaffe näher gekommen zu sein. Ich ging daran, meine Notizen auf Karteikarten zu übertragen. Wenn alles andere versagte, konnte ich sie ja mischen und Patience legen.
    Als ich das nächste Mal aufsah, war es fünf nach halb fünf. Dienstag nachmittags hatte ich von fünf bis sieben Spanischunterricht. Ich hatte noch gut fünfzehn Minuten Zeit, aber meine Talente als Schreibkraft waren ausgeschöpft. Ich schob den ganzen Papierkram in eine Mappe und sperrte den Aktenschrank ab. Dann schloß ich mein Büro hinter mir ab und ging. Auf der Straße mußte ich erst einmal eine volle Minute lang überlegen, wo ich mein Auto geparkt hatte. Schließlich fiel es mir tatsächlich ein, und ich wollte mich gerade auf den Weg machen, als Alison vom Fenster zu mir herunterbrüllte.
    »Huhuu, Kinsey!«
    Ich beschattete meine Augen mit der Hand und sah hinauf. Sie stand auf dem kleinen Balkon vor John Ives’ Büro, und ihr blondes Haar hing über das Geländer wie bei einem modernen Rapunzel. »Lieutenant Whiteside ist am Telefon. Soll ich eine Nachricht entgegennehmen?«
    »Ach ja, bitte, wenn’s dir nichts ausmacht. Oder er kann auf meinem Anrufbeantworter eine Nachricht hinterlassen. Ich gehe zum

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