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Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Titel: Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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würde mich alle machen, wenn ich mich raushalte. Ich wollte erst nicht. Ich mein’, ich wollte nicht mitmachen, aber er war ein richtiger Schrank — echt groß —, und er hat gesagt, er würd’s mir geben.«
    »Er hat Ihnen gedroht?«
    »Ja, er hat gesagt, er und Ricardo würden mich zureiten.«
    »Sie sprechen von sexuellem Mißbrauch?«
    »Ja.«
    »Warum gerade Sie?«
    »Warum ich?«
    »Ja. Was hatten Sie zu bieten, daß Sie für das Unternehmen so wichtig waren? Warum haben sie sich nicht noch einen Hispano ausgesucht, wenn sie nach Mexiko wollten?«
    Er zuckte mit den Achseln. »Woher soll ich das wissen? Die spinnen doch alle.«
    »Was wollten Sie denn in Mexiko tun, wenn Sie nicht einmal die Sprache sprechen?«
    »Mich verstecken. Mich nach Texas durchschlagen. Hauptsächlich wollte ich raus aus Kalifornien.«
    Der Gefängniswärter klopfte, die Sprechzeit war um.
    Irgend etwas an Brians Lächeln hatte mich bereits veranlaßt abzuschalten. Ich bin eine geborene Lügnerin mit ein bißchen Talent, und ich kultiviere es. Ich verstehe wahrscheinlich mehr vom Einseifen anderer als die meisten Leute auf dem Planeten Wenn dieser Junge die Wahrheit gesagt hätte, dann hätte er meiner Ansicht nach bei weitem nicht so betont aufrichtig getan.

14
    -----

    Auf dem Weg zurück zum Büro machte ich einen Abstecher zum Staatsarchiv, das sich in einem Flügel des Gerichtsgebäudes von Santa Teresa befand. Das Gerichtsgebäude selbst wurde in den späten zwanziger Jahren neu erbaut, nachdem beim Erdbeben im Jahr 1925 das alte Gebäude und eine Anzahl von Geschäftshäusern im Ortszentrum zerstört worden waren. Gehämmerte Kupferplatten auf dem Portal des Staatsarchivs zeigen eine allegorische Darstellung der Geschichte des Staates Kalifornien. Ich trat durch die Tür in einen großen Raum, der durch eine Theke in zwei geteilt war. Rechts, in einer kleinen Empfangsecke standen zwei schwere Eichen tische mit passenden Ledersesseln. Die Böden waren mit polierten dunkelroten Steinplatten gefliest, die hohen Zimmerdecken mit Mustern in verblichenem Blau und Gold bemalt. Auf dicken Deckenbalken wiederholte sich das Muster. Anmutige Holzsäulen mit ionischen Kapitellen, auch sie in gedämpften Tönen bemalt, zeigten sich in regelmäßigen Abständen. Die vielscheibigen Fenster hatten Spitzbogenform.
    Die Arbeit des Archivs wurde mit Hilfe moderner Technologie erledigt: Telefon, Computer, Mikrofilm. In einem weiteren Zugeständnis an moderne Zeiten waren Teile der Wände mit schalldichtem Material getäfelt.
    Ich bemühte mich, nicht nachzudenken, während ich gegen einen merkwürdigen Widerwillen ankämpfte, die beabsichtigten Nachforschungen in Angriff zu nehmen. An der Theke standen mehrere Leute, und einen kurzen Moment erwog ich, die Sache auf einen anderen Tag zu verschieben. Aber dann erschien ein zusätzlicher Angestellter, ein großer, magerer Mann im kurzärmligen Hemd und mit einer Brille, bei der ein Glas undurchsichtig war, und sagte: »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
    »Ich möchte gern die Unterlagen zu einer staatlichen Heiratserlaubnis einsehen, die im November 1935 ausgestellt worden ist.«
    »Auf welchen Namen?« fragte er.
    »Millhone. Terrence Randall Millhone. Brauchen Sie den Namen der Frau auch?«
    Er machte sich eine Notiz. »Nein, das reicht.«
    Er schob mir ein Formular über den Tisch, ich füllte brav die Leerstellen aus, um dem Staat den Grund meiner Nachforschungen zu erläutern. Ich hielt dies für eine alberne Formalität, da ja Geburten, Todesfälle, Eheschließungen und Grundstücksübertragungen in öffentlichen Urkunden niedergelegt werden. Das Ablagesystem, das man hier anwendete, war ein merkwürdiges Verfahren, bei dem die Vokale im Nachnamen ganz weggelassen und den Konsonanten unterschiedliche numerische Werte zugeteilt wurden. Der junge Mann half mir, den Namen Millhone Soundex-gerecht umzuwandeln und schickte mich dann zu einem altmodischen Kartenkatalog, in dem ich eine Eintragung für meine Eltern fand sowie genaue Hinweise darauf, in welchem Buch die Heiratserlaubnis eingetragen war. Mit diesen Informationen kehrte ich zur Theke zurück. Der Angestellte telefonierte mit irgendeiner Person in den finsteren Tiefen des Gemäuers, deren Aufgabe es war, die gefragten, auf Kassetten festgehaltenen Daten herbeizuschaffen.
    Der Angestellte verwies mich an den Mikrofilmprojektor und leierte im Eilzugtempo eine Litanei von Anweisungen herunter, die ich nur zur Hälfte mitbekam. Es war

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