Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser
gar nichts. Es blieb totenstill. Die Fassade des dunkelgrauen Hauses wirkte kalt und abweisend.
»Ich bin hergekommen, weil ich mit ihr sprechen wollte, aber ich hielt es für besser zu warten, bis der Deputy wieder gegangen ist. Wann haben Sie Jaffe gesehen? Vor kurzem erst?«
»Vor einer Stunde vielleicht. Eigentlich war’s Lena, die ihn entdeckt hat. Sie hat mich dann gerufen, damit ich mir den Mann ansehe. Wir konnten uns nicht ganz einigen, ob er’s nun war oder nicht, aber ich dachte, melden sollten wir’s auf jeden Fall. Ich habe nicht geglaubt, daß sie tatsächlich jemanden herschicken würden.«
»Sie haben vielleicht einen Deputy losgeschickt, nachdem Brians Verschwinden entdeckt worden war. Ich habe die Meldung nicht gehört. Sie vielleicht?«
Jerry schüttelte den Kopf und nahm sich einen Moment Zeit, um sich die Stirn mit seinem T-Shirt abzuwischen. Im Auto fing es langsam an zu muffeln wie in einer Sportlerumkleide. »Vielleicht ist Wendell deshalb zurückgekommen«, sagte er.
»Ja, daran habe ich auch schon gedacht.«
Jerry schnupperte mal kurz an seiner Achselhöhle und besaß Anstand genug, die Nase hochzuziehen. »Ich nehm jetzt lieber eine Dusche, ehe ich Ihnen das ganze Auto verstänkere. Sie geben mir Bescheid, wenn sie ihn fassen.«
»Natürlich. Wahrscheinlich fahre ich nachher vorsichtshalber auch mal bei Michael vorbei. Ich nehme an, die Polizei wird ihn über den Tatbestand der Beihilfe aufklären.«
»Als ob das was hilft!«
Ich ließ die Fenster heruntergekurbelt, nachdem Jerry ausgestiegen war. Weitere zehn Minuten verstrichen. Dann erschien der Deputy an Danas Tür. Sie folgte ihm hinaus, und die beiden blieben auf der Veranda stehen. Der Deputy schaute auf die Straße. Selbst auf diese Entfernung wirkte sein Gesicht steinern. Dana sah gertenschlank und langgliedrig in einem kurzen Jeansrock, dem dunkelblauen T-Shirt und den flachen Schuhen aus. Das Haar hatte sie mit einem knallroten Tuch zurückgebunden. Die Haltung des Deputy verriet, daß er für die Wirkung nicht unempfänglich war. Sie schienen ihr Gespräch abzuschließen. Die Sprache ihrer Körper drückte Vorsicht und schwache Feindseligkeit aus. Ihr Telefon mußte geläutet haben, denn sie wandte sich hastig dem Haus zu. Er nickte kurz und ging die Stufen hinunter, während sie durch die Fliegengittertür ins Haus rannte.
Sobald der Deputy abgefahren war, stieg ich aus dem Wagen und ging zu Danas Haus. Sie hatte die Haustür offengelassen; die Fliegengittertür war geschlossen. Ich klopfte an den Rahmen, aber sie schien mich nicht zu hören. Ich sah sie drinnen hin und her gehen, das Telefon in die Halsbeuge geklemmt. Sie blieb stehen, um sich eine Zigarette anzuzünden und inhalierte tief.
»Natürlich können Sie sie die Fotos machen lassen«, sagte sie gerade, »aber ein professioneller Fotograf macht sicher bessere Bilder —« Sie wurde von der Person am anderen Ende der Leitung unterbrochen. Ich sah, wie sie unwillig die Stirn runzelte. Sie zupfte ein Tabakfädchen von ihrer Zunge. Ihr anderes Telefon begann zu läuten. »Ja, das ist wahr, und ich weiß natürlich, daß das eine Menge Geld ist. Ungefähr in dieser Größenordnung, ja...«
Wieder läutete der andere Apparat.
»Debbie, ich verstehe Sie natürlich, aber das wäre Sparsamkeit an der falschen Stelle, glauben Sie mir. Sprechen Sie mit Bob. Hören Sie, was er dazu sagt. Ich bekomme eben einen Anruf... Gut, ja, Tschüß. Ich rufe Sie zurück.«
Sie drückte auf den Knopf, um das andere Gespräch entgegenzunehmen. »Ganz in Weiß«, meldete sie sich.
Selbst durch die Fliegengittertür konnte ich sehen, wie ihre Haltung sich schlagartig veränderte.
»Oh, hallo.« Sie kehrte der Tür den Rücken und senkte die Stimme so weit, daß das Lauschen für mich zum Problem wurde. Sie legte ihre halb gerauchte Zigarette auf den Rand eines Aschenbechers und betrachtete sich im Spiegel an der Wand neben dem Schreibtisch. Sie strich sich über ihr Haar und wischte etwas verschmierte Wimperntusche weg. »Tu das nicht«, sagte sie. »Ich möchte wirklich nicht, daß du das tust...«
Ich drehte mich um und sah auf die Straße, während ich überlegte, ob ich noch einmal an die Tür klopfen sollte. Falls Brian oder Wendell Jaffe irgendwo im Gebüsch lauerten, dann sah ich sie nicht. Ich spähte wieder durch die Fliegengittertür. Dana beendete ihr Gespräch und stellte das Telefon auf den Schreibtisch.
Als sie mich hinter dem Fliegengitter bemerkte, fuhr sie
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