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Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Titel: Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Haustür blickte. Abrupt wich er zurück und gestikulierte dann hektisch in meine Richtung. »Ein Auto ohne Licht ist gerade vorbeigefahren. Es hat etwa sechs Häuser weiter angehalten. Haben Sie eine Pistole?«
    »Ich habe Ihnen doch erzählt, dass sie gestohlen wurde. Von dem Einbrecher. Ich habe keine Pistole. Was ist denn los?«
    »Rafer«, sagte er grimmig. Er ging zu der Schublade im Küchentisch seiner Mutter hinüber, wo sie ihre Mahlzeiten vorbereitete. Dann nahm er eine Waffe heraus und drückte sie mir in die Hand. »Hier. Nehmen Sie die.«
    Ich stand da und starrte sie verwirrt an. »Danke«, flüsterte ich. Es war ein einfacher Polizeirevolver Marke Smith & Wesson. Ich hätte mir selbst fast einmal so einen ähnlichen gekauft, einen 357er Magnum mit Fünf-Zoll-Lauf und einem Karomuster aus Walnußholz am Schaft. Ich musterte die Kerben im Schaft. Manche davon waren so tief, dass ich nicht bis auf ihren Grund sehen konnte.
    »Rafer wird mit entsicherter Waffe hier hereingestürmt kommen«, erklärte Brant. »Ohne Umschweife. Er hat überall herumerzählt, dass Sie eine Killerin sind und dass Sie Drogen nehmen, und jetzt sind Sie auch noch von irgendwas völlig zugedröhnt.«
    »Ich habe nichts genommen«, entgegnete ich mit trockenem Mund. Die Brownies. Ich war zugedröhnter, als er ahnte. Ich arbeitete mich in meinem Gedächtnis zurück, dachte an Kurse auf der Polizeischule und meine Jahre in Uniform auf der Straße und versuchte, mich an die Symptome zu erinnern. Phenzyklidine, Stimulantien, Halluzinogene, Sedativa und Hypnotika, Narkotika. Was hatte ich zu mir genommen? Verwirrung, Paranoia, undeutliche Sprechweise, Augenzittern. Ich konnte die Spalten über die vollgeschriebenen Seiten wandern sehen. Drogenvokabular. Raketentreibstoff, K.-o.-Tropfen. Breitmacher, Super Joint, Angel Dust, Nervenpeitsche. Ich war völlig abgedreht von Speed.
    »Sie haben ihn durchschaut. Er wird Sie umbringen müssen. Wir müssen die Sache ausschießen«, sagte Brant.
    »Lassen Sie mich nicht allein. Reden Sie mit ihm. Ich kann abhauen«, sprudelte ich hervor.
    »Daran hat er schon gedacht. Er hat sich Unterstützung verschafft. Vermutlich Macon und Hatch. Die hassen Sie alle beide. Jetzt sollten wir uns lieber mal vorbereiten.«
    Als Brant seine Jacke abstreifte, roch ich den Streßschweiß, ein Geruch so scharf und durchdringend wie Ammoniak. Aus irgendeinem Grund sah ich auf seine Hände. Trotz meines Rauschzustands erkannte ich einen Fleck auf seinem linken Handgelenk, eine dunkle Stelle ... eine Tätowierung oder ein Muttermal ... geformt wie der Bug eines Schiffs. Der Fleck hob sich von der sauberen weißen Fläche seiner Haut ab wie ein Brandzeichen. Knisternd zappte sich mein Hirn durch die Möglichkeiten: Narbe, Knutschfleck, Schmutz oder Schorf. Ich hatte eine reichlich lange Leitung. Ich sah noch einmal hin und erkannte schließlich, was es war: eine Verbrennung. Die Verfärbung der Wunde paßte genau zu der Spitze des glühendheißen Bügeleisens, das ich auf ihn gedrückt hatte. Adrenalin rauschte durch meinen Körper. Eine Art Euphorie durchfuhr meine Muskeln und Knochen. Mein Verstand machte einen sonderbaren Sprung zu etwas völlig anderem. Ich hatte darum gerungen, den Code mit Logik und analytischem Denken zu knacken, während die Lösung im Grunde auf räumlichen Verhältnissen beruhte. Vertikal, nicht horizontal. So funktionierten die Zahlen. Die Reihen auf und ab anstatt vor und zurück. Ich legte den Revolver auf den Küchentisch. »Ich komme gleich wieder«, sagte ich. Unter Auferbietung all meiner Kräfte raste ich in Toms Arbeitszimmer, eine Hand stets an der Wand, um meinen schwankenden Gang zu stabilisieren. 8, 12, 1, 11 und 26. Ich setzte mich an Toms Schreibtisch und sah auf den Kalender, den er gezeichnet hatte. Ich sah den Monat Februar, achtundzwanzig Tage, von denen der erste auf einen Sonntag fiel und dessen letzte beide Samstage, der einundzwanzigste und der achtundzwanzigste, durchgestrichen waren, womit sechsundzwanzig Zahlen übrigblieben. Ich hatte bereits vermutet, dass der Code simpel wäre. Wenn Tom seine Notizen verschlüsselte, mußte er ein unkompliziertes System besitzen, anhand dessen er Buchstaben in Zahlen umwandelte.
    Ich nahm einen Bleistift zur Hand und betrachtete das Kalenderraster, das er in die Ecke seiner Schreibtischauflage gezeichnet hatte. Ich schrieb die Buchstaben des Alphabets auf, indem ich pro Tag einen Buchstaben notierte, diesmal aber vertikale Reihen

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