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Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt - R wie Rache

Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt - R wie Rache

Titel: Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt - R wie Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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auf dem Highway 101 dahin. Reba saß am Steuer.
    »Ich weiß ja nicht, ob das so klug ist«, sagte ich. »Warum wollen Sie in ein Lokal gehen, wo alle Alkohol trinken?«
    »Ich gehe nicht zum Trinken hin. Ich habe seit dreiundzwanzig Monaten und vierzehneinhalb Tagen nichts mehr getrunken.«
    »Warum wollen Sie sich dann jetzt in Gefahr begeben?«
    »Das habe ich Ihnen schon gesagt. Weil Onni dort ist. Sie geht jeden Donnerstagabend aus, um Männer aufzureißen.« Ich öffnete den Mund zu einem Protest, doch sie warf mir einen schnellen Blick zu. »Sie sind nicht meine Mutter, klar? Ich verspreche, dass ich meinen AA-Paten anrufe, sobald ich nach Hause komme. Zumindest würde ich ihn anrufen, wenn ich einen hätte.«
    Das Bubbles war ein Wein-und-Champagner-Bistro in Montebello, das früher einmal im Verein mit dem Edgewater Hotel und einer weiteren teuren Piano-Bar namens Spirits gute Geschäfte gemacht hatte. Die drei Lokale lagen mit dem Auto nicht weit entfernt voneinander und bildeten ein Dreieck, das von allen reichen und begehrten Singles besucht wurde, die sich damals auf dem freien Markt tummelten. Alle drei hatten sich in Sachen Atmosphäre schwer ins Zeug gelegt – Glanz und Glitter, Live-Musik, kleine Tanzflächen und gedämpfte Beleuchtung. Die Drinks waren kostspielig und wurden in überdimensionalen Gläsern serviert, während das Essen Nebensache und lediglich dazu gedacht war, dass man es, ohne einen tödlichen Unfall zu bauen, wieder nach Hause schaffte.
    Mitte der Siebzigerjahre wurde das Bubbles aus unerfindlichen Gründen zu einem Anziehungspunkt für Begleitagenturen mit Luxus-Callgirls und »Models« aus Los Angeles, die zu anspruchsvollen Liebesdiensten nach Montebello reisten. Irgendwann nahm der Kokainkonsum überhand, bis der Bezirkssheriff einschritt und den Laden dichtmachte. Ich war gelegentlich dort gewesen, da mein zweiter Mann Daniel Jazzpianist war und abwechselnd in allen drei Nachtclubs gespielt hatte. Schon zu Beginn unserer Beziehung hatte ich begriffen, dass ich ihn, wenn ich ihn nicht dorthin begleitete, vielleicht bis zum Frühstück am nächsten Morgen nicht mehr zu Gesicht bekäme. Er behauptete immer, er sei noch mit den Jungs »spielen« gewesen, was sich später sowohl im wörtlichen wie auch im übertragenen Sinne als wahr erwies.
    Wir hielten links vom Eingang. Reba gab dem Parkwächter ihre Autoschlüssel, und wir gingen hinein. Männer in Anzügen und Sakkos standen in fünf oder sechs Reihen an der Bar und taxierten unsere Brüste und Pos, als wir an ihnen vorbeikamen. Reba suchte rasch die Tische ab, während ich ihr folgte. Das Bubbles hatte sich nicht verändert. Die Beleuchtung stammte überwiegend von den wuchtigen Aquarien, die vor den Wänden standen und eine Sitzecke von der nächsten trennten. Im Hauptraum gab es eine Bar, um die sich in U-Form Nischen und vereinzelte Zweiertische gruppierten. Im zweiten Raum hatte sich eine Jazz-Combo – Klavier, Saxophon und Bass – auf einer breiten Bühne über einer Tanzfläche vom Format eines Trampolins postiert. Die Musik war entspannend – eingängige Melodien aus den Vierzigerjahren, die einem noch tagelang durch den Kopf gehen würden. Dies war kein Lokal, in dem sich laute Stimmen erhoben oder brüllendes Gelächter den Fluss gepflegter Gespräche durchbrach. Niemand betrank sich und fiel rückwärts auf andere Gäste. Frauen weinten weder, noch kippten sie ihren Begleitern Drinks ins Gesicht. Niemand kotzte in die eleganten Toiletten mit ihren Marmorböden und den Körbchen voller winziger Frotteehandtücher. Die Gäste rauchten zwar, doch das Belüftungssystem war auf dem neuesten Stand der Technik, und eine unermüdliche Schar von Hilfskellnern trug schmutzige Aschenbecher davon und ersetzte sie etwa alle fünf Minuten durch frische.
    Reba streckte einen Arm aus und bremste mich. Wachsam stand sie da und sah Onni durchdringend an, die allein an einem Tisch saß und mit einer Nonchalance, die ich für vorgetäuscht hielt, eine Zigarette rauchte. Die Anwesenheit zweier halb gefüllter Champagnerflöten und einer in einem Kühler daneben stehenden Flasche ließ auf einen Begleiter schließen, der den Tisch vermutlich kurz zuvor verlassen hatte. Die »echte« Onni besaß nur wenig Ähnlichkeit mit der Onni, die ich auf den grobkörnigen Schwarzweißfotos gesehen hatte. Sie war groß und schlank, hatte ein langes, schmales Gesicht, eine breite Nase, dünne Lippen und kleine, fast wimpernlose Augen. Ihr dunkles

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