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Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt - R wie Rache

Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt - R wie Rache

Titel: Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt - R wie Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Neonlicht sorgte dafür, dass der Teint fahl wirkte und jeder winzige körperliche Makel wie ein Basrelief hervortrat.
    Ich streifte die Schuhe ab und begann mich mit derselben Begeisterung auszuziehen wie vor einer Unterleibsuntersuchung.
    »Offenbar habe ich ein höher entwickeltes Schamgefühl als Sie«, sagte ich.
    »Oh, bitte. Das haben sie mir im Gefängnis ausgetrieben. Die Duschkabinen nicht mal halb so groß wie das hier und hatten nur Segeltuchvorhänge, die Kopf und Füße sichtbar lassen mussten. Sinn der Sache war es, die Gefangenen daran zu hindern, ungestört Sex zu haben. Hatten die eine Ahnung. Abgesehen davon können Sie im Knast jegliche Intimsphäre total vergessen. Es war einfacher, nackt herumzuhüpfen wie alle anderen auch.«
    Während dieser Enthüllungen versuchte ich, anmutig aus meinen Bluejeans zu steigen, doch ich blieb mit dem Fuß hängen und wäre fast seitlich umgefallen. Reba tat, als hätte sie es nicht bemerkt. »Hat Ihnen das denn nichts ausgemacht?«, wollte ich wissen.
    »Zuerst schon, aber nach einiger Zeit habe ich mir gesagt, ach, pfeif drauf, was soll’s? Massenhaft nackte Frauen, da hat man bald jede mögliche Körperform gesehen – klein, groß, dünn, dick, kleiner Busen, großer Hintern oder großer Busen und gar kein Hintern. Narben, Leberflecken, Tätowierungen, Verwachsungen. Eine sieht aus wie die andere.«
    Ich zog mir das T-Shirt über den Kopf.
    »Oh, Schusswunden!«, rief sie und hätte fast in die Hände geklatscht, als sie meine sah. »Haben Sie was dagegen?«
    »Nein, ich finde sie süß. Sehen irgendwie aus wie Grübchen.«
    Ich nahm das erste der beiden Baumwollkleider vom Bügel, schob die Arme hinein und zu den vorgesehenen Öffnungen wieder hinaus, ehe ich mich zum Spiegel wandte. Ich sah ungefähr so aus wie immer – nicht schlecht, aber auch nicht besonders gut. »Was meinen Sie?«
    »Was meinen Sie?«
    »Kommen Sie, Reba. Sagen Sie mir einfach, was daran nicht in Ordnung ist.«
    »Alles. Zuerst einmal die Farbe. Sie sollten klare Farben tragen – Rot, vielleicht Marineblau, aber nicht dieses eklige Gelb. Da sieht Ihre Haut ja richtig orange aus.«
    »Ich dachte, das kommt von der Beleuchtung.«
    »Und schauen Sie mal, wie weit das geschnitten ist. Sie haben schöne Beine und tolle Brüste. Ich meine, sie sind zwar nicht riesig, aber keck, also warum wollen Sie sie mit etwas zudecken, das aussieht wie ein Kissenbezug?«
    »Ich trage nicht gern zu enge Sachen.«
    »Kleider sollen passen, meine Liebe. Das Kleid da ist eine Nummer zu groß und sieht – wenn ich so sagen darf – matronenhaft aus. Und jetzt probieren Sie ruhig den blau bedruckten Rock, aber ich kann Ihnen gleich sagen, dass der auch ein Fehlgriff ist. Sie sind nicht der Typ mit dem Riesenhintern, zu dem hawaiianische Palmen und Papageien passen.«
    »Wenn Sie ihn ohnehin schon grässlich finden, warum soll ich ihn dann anziehen?«
    »Weil Sie sonst nie begreifen, worauf es wirklich ankommt.«
    Und in dem Stil ging es weiter. Herrische Frauen und ich kommen blendend miteinander aus, da ich im Grunde meines Herzens Masochistin bin. Ich ließ den blau bedruckten Rock hängen und probierte auch den grünen Hosenanzug gar nicht erst an, da ich wusste, dass sie in Bezug auf den genauso Recht hatte. Sie brachte die unbrauchbaren Kleidungsstücke nach draußen, wobei sie die Bügel auf Armeslänge von sich weg hielt, als wären es tote Ratten. Während ich in der Kabine wartete, zog sie durch die Verkaufsräume und durchkämmte die Regale. Sie kam mit sechs Teilen zurück, die sie mir eines nach dem anderen hinhielt und so die Illusion schuf, sie ließe mich selbst auswählen. Ich sträubte mich gegen ein Kleid und einen Rock, aber alles andere, was sie ausgewählt hatte, sah tatsächlich großartig an mir aus.
    »Ich begreife nicht, woher Sie das alles wissen«, sagte ich und zog mich wieder an. Es ist mein ewiges Leiden, dass andere Frauen irgendwie ein Gefühl für Dinge haben, bei denen ich mir vorkomme wie ein Trampel. Es war wie Textaufgaben in Mathe. Sobald ich in der Schule eine vor mir sah, bekam ich das Gefühl, gleich ohnmächtig zu werden.
    »Sie kriegen es schon noch raus. Es ist eigentlich nicht besonders schwierig. Im Frauengefängnis war ich die Stylingexpertin des Hauses. Haare, Make-up, Klamotten, alles. Ich hätte Unterricht geben können.« Sie hielt inne und blickte auf die Uhr. »Sehen wir zu, dass wir weiterkommen, Zeit zum Feiern.«
    Wir fuhren in südlicher Richtung

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