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Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt

Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt

Titel: Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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mir regte sich der mittlerweile altbekannte Konflikt: Sollte ich Reba beschützen und vorschlagen, woandershin zu gehen, oder den Mund halten und sie die Verantwortung für ihre Entscheidungen selbst übernehmen lassen? Diesmal siegte der Eigennutz. Schließlich wollte ich Marty Blumberg kennen lernen.
    Wir gingen hinein und blieben in der offenen Tür stehen, um uns zu orientieren. Ich war seit Jahren nicht mehr im Dale’s gewesen, doch es hatte sich kaum verändert — ein schlauchartiger Raum mit einem Bartresen auf der linken Seite und einer Musikbox im hinteren Teil. Dicht vor der rechten Wand drängten sich sechs oder acht kleine Tische. Die Beleuchtung stammte überwiegend von Neon-Bierreklamen in Blau und Rot. Zahlreiche Gäste bevölkerten die Hälfte der Barhocker und die meisten Tische. Siebenundachtzig Prozent der Anwesenden rauchten, und die Luft war so grau wie Morgennebel. Die von oben kommende Beleuchtung spendete ein mattes Licht, das dem schwindenden Tageslicht draußen ähnelte. Ich erinnerte mich, dass die Musikbox mit alten Singles bestückt war. Momentan sangen die Hilltoppers schmachtend »P.S. I Love You«, während auf einer engen Fläche vor der einzigen Toilette ein Pärchen tanzte. Das auf dem Boden ausgestreute Sägemehl und die schallisolierenden Deckenfliesen dämpften den Geräuschpegel, so dass Musik und Gespräche aus einem anderen Raum zu kommen schienen.
    An den Wänden hingen Schwarzweißfotos, die in den Vierzigerjahren aufgenommen worden sein mussten, wenn man nach Frisuren und Kleidung der Frauen ging. Auf jedem Foto war dieselbe Person zu sehen, ein Mann mittleren Alters mit Halbglatze, womöglich der Namensgeber Dale. Er hatte den Arm um verschiedene zweitrangige Sportgrößen geschlungen — Baseballspieler, Profiringer und Rollschuhköniginnen — , deren Unterschriften am unteren Rand der Bilder prangten.
    Am anderen Ende des Lokals erzeugte eine Maschine am laufenden Band Popcorn, das der Barkeeper in Pappbecher schaufelte und zum allgemeinen Gratisgenuss verteilte. Auf dem Bartresen standen in regelmäßigen Abständen Sortimente verschiedener Popcorn-Gewürze: Knoblauchsalz, Zitronenpfeffer, Cajun-Mischung, Currypulver und Parmesan in einem grünen Pappbehälter. Das Popcorn reichte nicht aus, um die Gäste nüchtern zu halten, doch zumindest hatten sie so etwas, womit sie sich zwischen ihren Drinks beschäftigen konnten. Als wir Platz nahmen, kam gerade ein gereizter Streit auf, bei dem es um Politik ging, ein Thema, von dem offenbar keiner der Anwesenden auch nur einen blassen Schimmer hatte.
    »Und, wo ist er nun?«, fragte ich und sah mich um.
    »Was haben Sie es denn so eilig? Er kommt sicher gleich.«
    »Ich dachte, wir gehen essen. Soweit ich weiß, gibt es hier nichts.«
    »O doch. Sieben-Arten-Chili.« Sie zählte die Wahlmöglichkeiten an den Fingern ab. »Makkaroni, gehackte Zwiebeln, Käse, Austerncracker, saure Sahne oder Koriander in sämtlichen Kombinationen.«
    »Das sind nur sechs.«
    »Sie können es auch ohne alles haben.«
    »Oh.«
    Die nächste Single senkte sich auf den Plattenteller, und Jerry Vale begann mit seiner Version von »It’s All in the Game«: » Many a tear has to fall ...« Ich unterdrückte jeden Gedanken an Cheney, um die Beziehung nicht mit einem bösen Fluch zu belegen.
    Als die Bedienung kam, bestellte Reba einen Eistee und ich ein Bier. Ich hätte auch Eistee bestellen können, aber damit hätte ich nur eine Tugendhaftigkeit demonstriert, die ich gar nicht wirklich besaß. Angesichts von Rebas Abstinenz wurde mir jeder Schluck, den ich trank, überdeutlich bewusst. Außerdem fürchtete ich, dass sie, sobald ich mich abwandte, nach meinem Bier greifen und es auf einen Satz halb austrinken würde.
    Da es nichts anderes gab, bestellten wir Sieben-Arten-Chili, und zwar mit allen sechs Zutaten. Es war scharf, gut gewürzt und reichlich. Das Rezept war auf den papierenen Platzdeckchen abgedruckt. Es hätte mich gereizt, meines mitzunehmen, doch ein Flinweis ganz unten klärte mich darüber auf, dass das Rezept für vierzig Personen berechnet war, und das erschien mir für eine Frau wie mich, die meistens allein neben der Spüle im Stehen isst, etwas übertrieben. »Sie haben mir die Geschichte über das Passages und Becks Beteiligung noch nicht zu Ende erzählt«, sagte ich.
    »Schön, dass Sie fragen. Ich dachte schon, es interessiert Sie nicht.«
    »Doch, natürlich«, erwiderte ich. »Erzählen Sie weiter.«
    Sie zündete sich

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