Kirchwies
Margots Hand und breitete die Arme aus. Breitenberg legte einen Finger auf die Lippen. Der Kleine verstand. Sofort ließ er die Arme sinken und tat unbeteiligt. Kluges Kind!
Der Sarg sah aus wie neu. Breitenberg filmte, wie er ins Fahrzeug geladen und abtransportiert wurde.
Die Hinterberger Musi hob die Instrumente. Doch Campari unterband ihr Spiel.
»Herrschaften, gehen Sie heim«, rief er der Menge zu. »Wir werden berichten.« Dann wandte er sich an die Medienvertreter. »Merken Sie sich«, betonte er. »Ich wiederhole mich: Und wenn ich zehn Jahre dafür brauchen werde. Aber so lange wird’s nicht dauern. Wenn wir das finden, was wir vermuten, können Sie schon übermorgen Ihre Sensationsmeldung raushauen.«
Breitenberg kletterte vom Baum. Er hatte die gesamte Vorstellung gefilmt. Jeder Anwesende war getroffen. Darunter jeder, der im Zuge der Ermittlungen verhört worden war. Nur zwei der vorher Vernommenen waren weggeblieben: Pauli, der Maler, und Fanny, die Pfarrhaushälterin.
* * *
Campari saß reglos in seinem Bürgermeisterbüro. Ein böiger Wind wehte aus Südosten das Tal herauf. Es sah nach Regen aus. Die Bauern und Gärtner würden froh um jeden Tropfen sein. Es war dunkel geworden, sodass er im Fenster sein Spiegelbild sah: einen stämmigen Mann mit vollem Haar und wollener Trachtenweste, dessen runder Kopf und dessen fülliges Gesicht sehr seinem Vater, dem Minister, ähnelte. Ihn hatte der Schlag getroffen, und er war Gott sei Dank sofort weg gewesen. Sein Sohn ging davon aus, dass ihm eines Tages das gleiche Schicksal beschert sein würde.
Die Aktion war umsonst gewesen. Weder die Observierung noch die anschließende mehrfache Auswertung der Videos hatte auch nur im Entferntesten ein Ergebnis gebracht. Vorsichtshalber hatte Breitenberg das Video zur weiteren Überprüfung nach München bringen lassen.
Er ging alles noch einmal durch.
Anton Scheiberl hatte schließlich gestanden, sich vage erinnern zu können, dass er in der Nacht im Libellenweg 18 gewesen war. Da habe Thea noch gelebt, und sie hatte ihn abblitzen lassen. Campari glaubte ihm. Weder von ihm noch von Wandra hatte die Spusi den Hauch einer Spur am Tatort gefunden. Der Wandra hatte sich auch nicht aus Reue über die Bluttat selbst gerichtet. Er hatte vielmehr dem Druck der Dorfbewohner nicht standgehalten.
Im Übrigen war Campari noch immer der festen Ansicht, dass die Taten nicht von einem der Männer aus dem Dorf begangen worden waren. Der Mord nicht, die Entführung nicht und schon gar nicht der blutige Überfall auf Fritzi Gernot. Ein Mann hätte anders zugeschlagen. Hätte nicht so viel Raffinesse vorgetäuscht. Welcher Mann bindet einen Buben mitten im Wald an einen Baum und hängt einen albernen Zettel daneben? Die Arbeitshandschuhe, das Elektrokabel – eine Frau mit handwerklichen Fähigkeiten, aber kein Mann. Schon die ganze letzte Nacht lang hatte er wach gelegen und nach einem Motiv gesucht, das eine Frau haben könnte.
Jeden Stein hatte er umgedreht. Keinen ließ er unberührt, wie klein und unbedeutend er auch sein mochte. In seinem Kopf überschlugen sich unkontrollierte Bilder. Wenn er sich nicht erinnerte oder unsicher war, hielt er mit seinen Überlegungen inne und begann wieder von vorn.
Immerzu war er bei der Pfarrhaushälterin gelandet.
elf
Kurz nach Mittag erhielt Campari die Antwort auf seine Anfrage beim Polizeipräsidium in Rosenheim. Er hatte die beiden Gläser Quittengelee zur Analyse dorthin schaffen lassen. Er wollte das Risiko ausschließen, sich und Breitenberg leichtfertig vergiften zu lassen.
Der Inhalt wurde als »unbedenklich« eingestuft.
Doch eines Beweises dieser Art hätte es nicht mehr bedurft. Er besaß genügend weiteres Material oder würde es in Kürze erhalten. Um die Ermittlungsdurchsuchung von Fannys Wohnung im Pfarrhaus hatte er per Eilantrag nachgesucht. Die Anordnung erwartete er stündlich, zusammen mit dem Haftbefehl.
Campari wunderte sich nur, warum er nicht früher auf die Lösung gekommen war. Breitenberg mit seiner Familienrecherche hatte den Stein ins Rollen gebracht. Campari war sehr nachdenklich geworden. Erst dadurch hatte sich die Reibung ständig im Bürgermeisterhirn kreisender Überlegungen als Geistesblitz entzündet.
Es war, als hätten sich Nebel verzogen. Nun erst konnte er klar erkennen, was seinen Augen bisher verborgen geblieben war.
Diese Fanny musste durch das Verhalten ihres Vaters einen unbändigen Hass auf Männer haben. Und auf Frauen, die
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