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Kirchwies

Kirchwies

Titel: Kirchwies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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knirschte.
    »Sie sind in der Nähe von Nürnberg aufgewachsen«, begann er aufs Neue.
    Campari nickte. »Im Knoblauchland«, sagte er bestätigend.
    Breitenberg wurde es zu bunt. »Was weißt denn sonst noch alles von denen?«, nörgelte er.
    Campari griff in die Jackentasche und nahm eine Prise. »Ahhhhhh«, machte er. »Alles. Vater Postbeamter, Mutter fleißige Hausfrau. Brave Leute eben. Timo geriet dem Vater nach, Fanny der Mutter. Fanny wurde Hauswirtschafterin, ihr Bruder ging ins Kloster.« Campari frohlockte.
    Breitenberg grinste. »Mit der Mutter hast du recht«, sagte er. »Eine ganz brave Hausfrau. Aber der Vater war das Problem.«
    Die Bedienung erschien am Horizont. Breitenberg rückte zur Seite. Der Kies knirschte.
    Campari stürzte die frische Halbe hinunter und bestellte eine zweite. Vielleicht, dachte er, löst der Breitenberg ein Problem.
    »Der Vater war Postbeamter, richtig«, sagte Breitenberg. »Aber was für einer. Er prügelte die Frau, kam oft nachts nicht heim, trieb sich in fremden Betten rum. Die Kinder ließ er meist in Ruhe. Aber wenn er seinen Grant an jemandem ausließ, dann an Fanny. Das ging jahrelang so.«
    »Und keiner tat etwas dagegen?«
    Breitenberg zuckte mit den Achseln. »Was hätten sie denn tun sollen? Der Mann war Alleinverdiener, und sie waren auf ihn angewiesen.«
    Der Biergarten war um diese Tageszeit leer. Nun aber bekamen sie Besuch. Ein Pfauenpaar tänzelte um sie herum, als suchte es Anschluss. Herr Pfau schlug ein wundervolles schillerndes Rad und erging sich in schrillen, schnalzenden Tönen. Die wesentlich einfacher gestrickte Frau Pfau pickte derweil gelangweilt zwischen den Steinchen am Boden herum.
    »Die Frau und Mutter ging an diesem Leben zugrunde«, fuhr Breitenberg fort. »Sie starb, als Fanny mitten in ihrer Hauswirtschaftslehre steckte. Sie ist an gebrochenem Herzen gestorben, hat es geheißen.«
    Breitenberg stand auf und wanderte mit den Händen in den Taschen auf und ab.
    »Kaum war seine Ehefrau unter der Erde, brachte der Vater fremde Weiber mit nach Hause, meistens jüngere. Die beiden Kinder bekamen täglich mit, was im elterlichen Schlafzimmer abging.«
    »Aha«, unterbrach Campari. »Pass auf, Breitenberg. Du hast in München schon nie Details preisgegeben. Von wem du die Informationen erhältst und so. Aber kannst du mir nicht dieses eine Mal … nur damit ich beruhigt sein kann …«
    »Dieses eine Mal ist okay. Aber was hilft es, wenn ich dir sage, dass ich die meisten dieser Infos von einem früheren Schulkameraden habe? Er ist der Chef aller Standesämter in Nürnberg. Der hat sich für mich umgehört.«
    Herr Pfau begann Campari mit langem Hals und kurzen Schnabelhieben von seinem Stuhl zu vertreiben. Der Platzinhaber drehte sich weg und hielt mit den Beinen dagegen. Schließlich packte er sein halb volles Glas und schüttete dem Tier mit elegantem Schwung seine Hoibe über den Kopf.
    Der Pfau mochte das Bier nicht. Er schüttelte sich, hackte ein letztes Mal nach und strebte dann mit seiner Lebensgefährtin gemächlich zum Kücheneingang hin.
    Breitenberg nahm einen tiefen Zug und setzte sich in Position.
    »Hörst du? Hier beginnt nun das Problem. Die beiden Kinder wachsen von jetzt an unter der Fuchtel von diesem Hallodri von Vater auf, der ihre Mutter ins Grab gebracht hat. Der die Fanny wie Dreck behandelt. Mein Informant meint sogar gehört zu haben, dass er sie nicht nur misshandelt hat. Aber das ist nicht verifiziert. Jedenfalls hat sie sich schleunigst, sobald es ihr möglich war, von zu Hause abgesetzt.«
    »Kann ich verstehen. Und der Timo?«
    Campari war das wache Interesse anzusehen. Breitenberg war bekannt, dass die beiden, der Pater und der Bürgermeister, sich nicht ganz grün waren.
    »Der hat das Nächstbeste getan. Er ging ins Kloster. Er verbrachte einige Jahre bei den Karmelitern im Kloster Reisach im Inntal. Und von denen wurde er sozusagen nach Kirchwies ausgeliehen. Seine Schwester ist ihm gefolgt. Aber das wird dir nicht unbekannt sein.«
    Das Gespräch hatte Campari nachdenklich gestimmt. Mehr noch: Es war wie eine Erleuchtung. Als hätte jemand ein Streichholz an eine glimmende Lunte gehalten.
    »Ich hab gehört, du willst die Leiche wieder ausbaggern?«, fragte Breitenberg wie nebenbei.
    Bevor es zu einer Antwort kam, zwitscherte Breitenbergs Klingelton. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich von verdutzt über deppert zu himmlisch.
    »Ja«, flüsterte er ins Telefon. »Geht’s dir gut, Kleines? Ich bin

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