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Kirschroter Sommer (German Edition)

Kirschroter Sommer (German Edition)

Titel: Kirschroter Sommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bartsch
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Mal verdunkelten sie sich. Und ich verkrampfte mich unter seinem hasserfüllten Blick.
    Meine Stimme klang zittrig. »Hey … Elyas …«
    »Ja?«, fragte er so kalt, dass es mir einen Schauer über den Rücken jagte.
    »Ehm … Ich …«, wisperte ich und bekam keinen Ton mehr heraus.
    »Ehm … Du … kannst nicht sprechen?«, spottete er aggressiv.
    Ich starrte Elyas an. Noch niemals zuvor hatte er so mit mir gesprochen.
    Nach und nach brach in diesem Moment meine Welt zusammen.
    »Ich wollte nur … wegen gestern …«, flüsterte ich und brach ab. Der eisige Ausdruck seiner Augen ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.
    Als plötzlich und unerwartet ein Lächeln über seine Lippen huschte, schöpfte ich für eine Nanosekunde neue Hoffnung. Doch schon im nächsten Augenblick begriff ich, dass es kein liebevolles, sondern ein abschätzendes, belustigtes und auf mich unendlich grausam wirkendes Lächeln war.
    »Wegen gestern?«, wiederholte er, bevor ein verächtliches Schnauben seiner Kehle entwich.
    »Hör mal zu, kleine Emely«, sagte er. »Du magst ja ganz nett sein … Aber hey, deine Brüste sind mir einfach zu klein.«
    Ich blickte in das türkisgrüne Meer seiner Augen, das bis auf den Grund zugefroren schien. Ich war steif und konnte mich nicht regen. Alles wurde still um mich herum; die Welt schien aufgehört zu haben, sich zu drehen. Das Einzige, was ich spürte, war dieser stechende, unerträgliche Schmerz, der sich allmählich in meiner Brust ausbreitete.
    Ich hatte es immer für eine Floskel gehalten, wenn man von einem gebrochenen Herzen sprach, doch in dieser Sekunde konnte ich fühlen, wie es wahrhaftig passierte. Als wäre es aus Glas, fiel es zeitlupenartig zu Boden und zersplitterte in tausend Teile.
    Alles hörte sich dumpf an, ich war wie taub, nicht mehr anwesend und konnte nicht realisieren, was Elyas von sich gegeben hatte. Nur die klaffende Wunde, die mich innerlich zu verschlingen drohte, bestätigte mir, dass meine Fantasie sich nicht nur einen makaberen Streich mit mir erlaubte. Benommen taumelte ich zurück und nahm nichts mehr wahr. Nicht einmal Kevins gehässiges Gelächter drang richtig zu mir durch, das in diesem Moment den ganzen Pausenhof erfüllte …
    An die darauf folgenden Monate besaß ich kaum Erinnerungen. Ich vegetierte vor mich hin und baute für meine Mitmenschen eine Scheinwelt um mich herum auf. Niemand sollte merken, wie es mir in Wahrheit ging.
    Meine einzige Rettung war, dass meine Liebe zu Elyas irgendwann in Hass umschlug. Dennoch kämpfte ich über Monate hinweg mit meinen Wunden und würde diese schreckliche Zeit niemals vergessen. Seit diesem Tag redeten wir kein Wort mehr miteinander. Doch allein, ihn täglich in der Schule sehen zu müssen, war für mich die Hölle auf Erden.
    Es begann erst besser zu werden, als Elyas ein halbes Jahr später mit Kevin für zwei Jahre nach England ging. Ich wusste von Alex, dass sie auf irgendeine Elite-Schule wollten, um dort ihren Abschluss zu machen.
    Erst von da an bewegte ich mich wieder ohne Angst in Neustadt. Es dauerte noch sehr lange, bis ich wirklich über ihn hinweg war, aber irgendwann, auch wenn ich die Aussicht darauf eigentlich längst aufgegeben hatte, trat es tatsächlich ein.
    Danach sah ich ihn nur noch ein einziges Mal. Es musste gut zweieinhalb Jahre später gewesen sein, als ich Alex zu Hause einen Besuch abstattete und Elyas zur Haustür herauskam, als ich gerade hineingehen wollte. Nach einer gewaltigen Schrecksekunde, in der alles noch einmal hochgekommen war, lief ich einfach an ihm vorbei und behandelte ihn wie Luft …
    Und jetzt, sieben Jahre später, lag ich neben ihm im Bett. Ich lag wahrhaftig mit dem Menschen in einem Bett, der die seelische Grausamkeit quasi erfunden hatte! Böse schielte ich zu ihm rüber. Er hatte immer noch die Arme hinter dem Kopf verschränkt und sah nachdenklich in die Nacht.
    Wie konnte ich nur so blöd sein? Wie konnte ich auch nur ansatzweise in Erwägung gezogen haben, ihn – nach alle dem, was er mir damals angetan hatte – zu mögen? Ich könnte mich selbst Ohrfeigen für meine Dummheit.
    Ich spürte, wie eine unbändige Wut in mir aufstieg, und dann tat ich etwas, was schon längst überfällig gewesen war: Ich holte mit dem Ellenbogen aus, zischte »Du Arschloch!« und boxte ihn mit voller Wucht in die Rippen.
    Das brechende Geräusch, auf das ich gehofft hatte, blieb leider aus, aber an Elyas’ Reaktion erkannte ich, dass mein Schlag trotzdem seinen

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