Kirschroter Sommer (German Edition)
atemberaubendste Lächeln, das ein Mensch nur haben konnte. So warm, so liebevoll war sein Blick, dass ich mich sofort wieder darin verlor.
Tausend Fragen schwirrten durch meinen benebelten Mädchenkopf, die sich alle darum drehten, wie es zu dem gerade eben Geschehenen kommen konnte. Vielleicht hätte ich Elyas eine davon gestellt, doch weil unsere traute Zweisamkeit im nächsten Moment mit lautem Gepolter von meiner Mutter zerstört wurde, kam ich nicht mal dazu, es überhaupt in Erwägung zu ziehen. Wir standen immer noch nah voreinander und sahen uns tief in die Augen, als sich plötzlich die Tür öffnete.
»Emely, komm mal runter und hilf uns beim Ausladen, wir -« Sie erblickte uns und brach ab.
Obwohl Elyas und ich uns nicht berührten, musste unser Anblick etwas sehr Vertrautes ausgestrahlt haben, denn meine Mutter schien sofort zu ahnen, hier in irgendetwas hineingeplatzt zu sein. Nicht zuletzt natürlich, weil wir beide sie mit großen erschrockenen Augen anstarrten .
»Hallo … Elyas«, sagte sie. Zwar war ihr Alenas Sohn durch die enge Freundschaft mit den Schwarz‘ bekannt, aber in meinem Zimmer hätte sie ihn wohl nicht erwartet.
»Hallo, Frau Winter«, entgegnete Elyas, während seine Hände erneut den Weg in seine Hosentaschen suchten.
Meine Mom musterte uns skeptisch und ich bemerkte, wie ihr Blick länger als normal an meinen erhitzten Wangen haften blieb. Ich verfluchte meine Mutter innerlich dafür, dass sie ausgerechnet in diesem Augenblick gekommen war und nicht, so wie ich es mir gewünscht hätte, erst zehn Jahre später.
»Emely«, fing sie an, nachdem sie sich von ihrer kurzen Überraschung erholt hatte. »Könntest du mit runterkommen? Wir haben die neuen Wohnzimmermöbel abgeholt und dein Vater ist gerade dabei, sie kaputt zu machen, bevor sie überhaupt aufgebaut sind.«
Ich nickte in der Hoffnung, sie würde schnell wieder verschwinden, doch Elyas machte mir einen Strich durch die Rechnung.
» Ich kann Ihnen auch gerne helfen, Frau Winter«, bot er sich an.
»Wirklich?«, fragte sie. »Das wäre wirklich nett von dir.«
»Klar«, antwortete Elyas.
»Ach, und ich habe dir schon mal gesagt, dass du mich Carla nennen sollst. Wenn du Frau Winter sagst, fühle ich mich uralt.«
Biste’ ja auch, grummelte ich gedanklich.
Elyas jedoch nickte und schenkte mir noch ein schüchternes Lächeln, bevor er meiner Mutter nach unten folgte. Vielen Dank, Mom, murrte ich mindestens zwei Minuten in mich hinein, ehe ich missmutig den Kopf in den Nacken warf und mich ebenfalls und mit immer noch weichen Knien nach unten begab.
Es dauerte über eine halbe Stunde, bis alle Möbel ins Haus gebracht waren. Sage und schreibe drei Mal war ich gestolpert, konnte mich aber glücklicherweise jedes Mal in der letzten Sekunde abfangen und mir somit unangenehme Peinlichkeiten ersparen. Elyas trug das letzte Paket Holzbretter ins Wohnzimmer, wo ich mit meinen Eltern stand und erschöpft verschnaufte.
»Vielen Dank, Elyas, du warst uns wirklich eine sehr große Hilfe«, sagte meine Mutter und warf einen viel sagenden Seitenblick auf meinen Vater, der nur genervt die Augen verdrehte.
»Es war absolut kein Problem, Frau Win – ehm Carla, ich hab’s gerne getan«, antwortete Elyas und wischte sich die Haarsträhnen aus der Stirn.
»Möchtest du zum Abendessen bleiben, damit wir uns wenigstens ein bisschen erkenntlich zeigen können?«, fragte meine Mutter, woraufhin mein Blick hoffnungsvoll zu Elyas wanderte, der mir leicht den Rücken zuwandte. Ein schöner Rücken, wohlgemerkt, selbst durch das T-Shirt …
Dachte ich mir natürlich damals!
Ich hätte alles dafür getan, noch mehr Zeit mit ihm verbringen zu können, selbst wenn es bedeutete, dass meine Eltern dabei gewesen wären. Allein seine Anwesenheit hätte mir ausgereicht.
»Ich kann leider nicht. Meine Großeltern sind heute bei uns zu Besuch. Und je länger ich mich davor drücke, desto größer werden die Vorträge, die ich mir deswegen anhören muss.« Er lächelte entschuldigend.
»Schade«, sagte Carla. »Aber vielleicht klappt es ja ein anderes Mal?«
»Sehr gerne«, sagte er.
»Freut mich«, antwortete meine Mutter daraufhin zufrieden. »Also dann, ich möchte nicht schuld daran sein, dass du Ärger bekommst. Grüß deine Eltern ganz lieb von uns.«
»Werde ich machen.«
»Bringst du Elyas noch zur Tür?«, fragte meine Mutter an mich gerichtet. »Dann fange ich in der Zwischenzeit an, das Zeug hier auszupacken.«
Hatte ich
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