Kirschroter Sommer (German Edition)
Unfassbare: Der Wagen wurde langsamer, schien sogar direkt auf uns zuzufahren, und stoppte schließlich nur wenige Meter von uns entfernt. Wie hypnotisiert ließ ich meinen Blick über die Karosserie gleiten. Ich musste schlucken. Er war so nah, dass ich nur ein paar Schritte gehen müsste, um ihn zu berühren.
Der Motor grummelte leicht vor sich hin, schnurrte beinahe und ich fühlte mich, als wäre ich verliebt. Im nächsten Augenblick verstummte er, und als sich die Fahrertür öffnete, schickte ich ein Stoßgebet in den Himmel, dass ein junger, gut aussehender Mann mit einem »Hallo my Name is Luca«-Schild aussteigen würde.
Doch stattdessen wurde mir auf die brutalste Art und Weise, die man sich nur vorstellen konnte, ein Messer in den Rücken gerammt. Ich starrte den Fahrer an und schüttelte den Kopf. So grausam durfte die Welt nicht sein.
Jung und gut aussehend war eingetreten, aber von »Arsch« war in meinem Gebet definitiv nicht die Rede gewesen.
Elyas Schwarz. Ich könnte kotzen!
Diese Sacknase fuhr meinen Traumwagen. Ich war fassungslos.
Blöd grinsend lief er auf uns zu, während ich im Kopf bereits sämtliche Mordtheorien durchspielte. Ich entschied mich für die Qualvollste, musste mir aber dummerweise eingestehen, dass ich bei der Durchführung körperlich unterlegen gewesen wäre.
Mann, ich konnte wirklich nicht in Worte fassen, wie angepisst ich war!
Vielleicht würde es ausreichen, ihn bewusstlos zu schlagen? Zeit genug für mich, mir die Autoschlüssel zu krallen und mit seinem Auto zu verschwinden.
Moment – war ich gerade neidisch auf Elyas? Nein! So weit durfte ich es nicht kommen lassen! Sollte er doch sein scheiß Drecksauto haben.
Sein scheiß…atemberaubendes…wunderschönes…Drecksauto.
Ich knurrte und biss mir auf die Lippe.
Und überhaupt, was wollte der eigentlich hier?
»Elyas!«, rief Alex freudig aus.
Blöde Verräterin. Nicht mal auf die beste Freundin war Verlass.
»Hallo, Schwesterherz«, sagte er und drückte sie kurz.
Wenn ich jetzt ausholen und ihm meine Messenger-Bag voll auf die Zwölf hauen würde …
Doch es kam noch schlimmer.
»Hallo, Schatz«, begrüßte er mich, neigte seinen Kopf leicht seitlich und beugte sich zu mir hinunter, ganz so, als würde er mich küssen wollen.
»Mann!«, rief ich aus und wich einen Schritt zurück. Mein finsterer Blick schien ihn jedoch nicht im Geringsten zu beeindrucken, stattdessen lachte er nur leise und richtete sich wieder auf.
Elyas hatte zweifellos einen neuen Plan, mir das Leben zur Hölle zu machen.
Nach unserem Wortgefecht letzte Woche hatte ich die große Hoffnung gehegt, wir würden uns zukünftig ignorieren. Aber Fehlanzeige! Ich für meinen Teil hielt mich natürlich an das Ignorieren, Elyas dagegen schien ein vollkommen gegensätzliches Ziel zu verfolgen: Er wollte mich in den Wahnsinn treiben! Und verflucht, er hatte Erfolg.
Alex fand seine Begrüßungsnummer offenbar witzig und kicherte los, woraufhin ich ihr einen scharfen Blick zuwarf, der sie sofort verstummen ließ. Sie räusperte sich. »Was machst du eigentlich hier?«, hakte sie bei ihrem Bruder nach.
Gute Frage! Eine verdammt gute, um genau zu sein. Und man könnte sie nicht nur auf das Unigelände beziehen, sondern gleich auf den gesamten Planeten ausweiten.
»Ich dachte, ich lade euch zwei auf einen Drink ein«, lächelte er in seiner charmanten Art, die ich genauso wenig wie alles andere an ihm leiden konnte. Mit ihm was trinken gehen? Ich schnaubte verächtlich. Das könnte diesem Blödmann so passen.
Als ich schon den Mund geöffnet hatte, um zu einer äußerst fiesen Antwort auszuholen, funkte mir Alex dazwischen und formulierte es ein bisschen humaner, als ich es getan hätte.
»Emely kann leider nicht. Sie muss noch ihre Interpretation fertig schreiben und anschließend arbeiten. Aber ich komme gerne mit.«
Ich lächelte ihr zu. Auch wenn man für meinen Geschmack hier und da noch eine kleine Beschimpfung hätte einbauen können, hatte sie das ganz gut gemacht.
»Interpretation?« Elyas zog seine Stirn kraus und sah mich an. »Was studierst du denn eigentlich, kleine Lady, wenn man fragen darf?«
In diesem Moment spürte ich, wie sich eine wunderbar warme Empfindung in meinem Bauch breitmachte. Es war Genugtuung. Und es fühlte sich noch besser an, als es klang.
Jede einzelne Silbe kostete ich vollends aus und ließ sie in Zeitlupentempo über meine Lippen gleiten. »Literaturwissenschaften«, lächelte ich. Und als wären
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