Kirschroter Sommer (German Edition)
ich’s mir genauer überlegte, lag sie vielleicht doch nicht komplett falsch.
»Von mir aus, dann war er eben schlimm«, gab ich zu und sah ein Lächeln von ihrem Gesicht Besitz ergreifen.
»Aber mal im Ernst, Emely, ich würde mir auf jeden Fall ein Foto von ihm schicken lassen, bevor du dich mit ihm triffst.«
»Mit ihm treffen?« Meine Augen weiteten sich.
»Was sonst? Ihr könnt euch ja schlecht über Google das Jawort geben.«
»Jetzt mach mal langsam«, entgegnete ich und wollte dabei eher mich selbst als sie beruhigen. »Wir schreiben uns erst seit einer Woche. An ein Treffen habe ich noch nicht einmal gedacht !« Und ehrlich gesagt bekam ich schon bei dem Gedanken daran eine Heidenangst!
»Dann solltest du schleunigst anfangen, dich damit auseinanderzusetzen.« Sie deutete mit der Spitze des Messers auf mich.
»Hm«, murmelte ich und hegte die heimliche Hoffnung, sie würde das Thema wieder fallen lassen. Ein Treffen … Tz, darüber konnte man in fünf Jahren vielleicht noch mal sprechen, aber doch jetzt noch nicht!
»Emely.« Sie kniff ein Auge zu und musterte mich. »Du fängst doch nicht etwa wieder an, dir deine Komplexe einzureden?«
Ich hasste es, wenn sie »Komplexe« sagte und das wusste sie ganz genau. Davon abgesehen hatte ich überhaupt keine. Ich würde es eher als zeitweilig auftretende und leichte Unsicherheiten bezeichnen.
……
Okay, verdammt, dann hatte ich eben Komplexe.
»Erstens habe ich keine Komplexe«, sagte ich. »Und zweitens …«
»Zweitens?«, hakte Alex nach.
»Nun ja, es ist nur …« Ich kaute auf meiner Unterlippe. »Er scheint wirklich intelligent zu sein. Auch seine ganze Art, er drückt sich in so einer bestimmten Weise aus … So stilvoll irgendwie. Außerdem hat er einen tollen Humor.«
»Und wo liegt jetzt dein Problem?« Sie zog die Stirn kraus. »Es ist mehr als überfällig, dass du die ganzen Flachpfeifen, die du sonst immer anschleppst, mal gegen jemanden eintauschst, der ein Hirn hat.«
Ich rollte die Augen. So schlimm war es nun auch wieder nicht gewesen. Ganz davon abgesehen war sie die Letzte, die in dieser Hinsicht den Mund aufzureißen brauchte, was ich ihr natürlich prompt vor den Latz knallen musste. »Nur gut, dass du so tolle Männer hattest.«
Augenblicklich hackte sie das Gemüse energischer. »Das ist was anderes«, sagte sie.
Als ich ihr gerade erklären wollte, warum das nicht stimmte, wurde unsere Aufmerksamkeit auf ein Geräusch gelenkt, das aus dem hinteren Flur herrührte. Eine Tür wurde geöffnet und anschließend wieder geschlossen.
Ich schnaubte. Meine heutige Glückssträhne, dass Elyas von meiner Anwesenheit nichts bemerkt hatte, schien hiermit ein Ende zu finden. Doch ziemlich schnell löste sich meine Befürchtung wieder in Luft auf, denn an den herannahenden Schritten war zu hören, dass der Besitzer hochhackige Schuhe trug.
Vielleicht hatte Elyas aber auch nur eine neue Neigung entdeckt? Die Frauenwelt würde sich mit Sicherheit bedanken – und ich wäre die Erste.
Weil das aber vermutlich nur reines Wunschdenken war, reckten Alex und ich die Hälse, um zu sehen, wer da zum Vorschein kam. Und ich staunte nicht schlecht, als besagte weibliche Person den Raum betrat und zielstrebig die Wohnungstür ansteuerte.
Sie sah aus, als wäre sie einer dieser Hochglanzzeitschriften entsprungen. Ihre Kleidung erinnerte stark an ein Tennisoutfit und dank des engen Schnittes konnte man jeden Zentimeter ihres begnadeten Körpers erahnen. Sie war groß gewachsen, überragte mich um mindestens einen Kopf, und ihre seidenglatten Beine, die von dem kurzen Rock nur spärlich bedeckt wurden, ließen meine Kinnlade herunterklappen.
Diese Frau erschien mir so perfekt, dass ich mich richtig hässlich neben ihr fühlte. Wer hatte dieses Wesen erschaffen? Ein Pornogott?
Wer auch immer, er war auf jeden Fall männlich.
Ich starrte sie weiter an und allmählich fielen mir Details ins Auge. Ihre Frisur wirkte durcheinander; vereinzelt hatten sich blonde Strähnen aus dem Haarknoten gelöst und wippten im Wind ihrer Bewegungen. Die sonnengebräunte Farbe ihrer Haut ging auf den Wangen in einen Roséton über; ihr Gesicht schien förmlich zu glühen.
Man brauchte nicht viel Fantasie um zu erahnen, was diese Frau wohl gerade mit Elyas in seinem Zimmer gemacht hatte.
»Hallo«, lächelte sie gezwungen, als sie an uns, dem Fußvolk, vorbei schritt. Selbst nachdem sie die Wohnungstür bereits hinter sich geschlossen hatte, konnte ich den
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