Kirschroter Sommer (German Edition)
Sportstudenten oder so …«
»Sexy Sportstudent«, wiederholte ich und zog eine Augenbraue nach oben. »Und warum genau sollte sich ein sexy Sportstudent nicht trauen, mich anzusprechen?« Abwartend verschränkte ich die Arme vor der Brust.
Sie überlegte. »Weil er schüchtern ist …?« Ihre Stimme ging gen Ende immer weiter nach oben.
»So viel dazu«, hakte ich ihre Theorie somit ab.
»Aber genau das kannst du ihn ja fragen, wenn du ihm antwortest«, blieb sie standhaft.
Ich seufzte. Allein von der Vorstellung, ich würde auf diese Nachricht reagieren, machte sich ein unangenehmes Gefühl in meinem Bauch breit.
»Mal schauen«, sagte ich schließlich, um das Thema fallen zu lassen. Ich musste erst einmal in aller Ruhe darüber nachdenken und das konnte ich mit Sicherheit nicht, solange Alex noch in Reichweite war. Ich spürte, dass ich Hunger bekam und da aus meiner Textinterpretation momentan sowieso nichts mehr zu werden schien, machte ich Alex einen Vorschlag.
»Sag mal, bist du auch hungrig? Wollen wir in die Mensa?«
»Das ist eine ausgesprochen gute Idee«, nickte sie, weswegen ich meinen Laptop zusammenklappte und mich mit ihr gemeinsam auf den Weg zur Mensa begab.
Dort angekommen holte sich Alex einen Salat, und weil ihr dieser, wie sie sagte, nicht schmeckte, zog sie es vor, mir meine Nudeln mit Tomaten-Käse-Soße wegzufuttern.
Auch wenn ich als Einzelkind aufgewachsen war, hatte ich durch Alex schon sehr früh erfahren, dass man teilen musste – leider war nur meistens ich diejenige von uns beiden, die dabei den Kürzeren zog. Gut, vielleicht war es ein bisschen übertrieben, ihr gleich die Gabel in die Hand zu rammen … Aber hey, man musste schließlich sehen, wo man bleibt.
Während des Essens fand sie kein anderes Thema, als meinen ominösen E-Mail Schreiber, und ich kam nicht drum herum, ein paar Mal – nur zur Sicherheit natürlich – einen Blick über die Schulter zu werfen. Alex legte in dieser Hinsicht einen Optimismus an den Tag, den ich absolut nicht teilen konnte. Andauernd versuchte sie mich zu überreden, diesem Luca zu antworten.
»Was hast du denn zu verlieren?«, fragte sie mich. Und so gerne ich es getan hätte, bedauerlicherweise konnte ich dem nichts entgegnen. Zu verlieren hatte ich lediglich das letzte bisschen Stolz, das ich noch in mir trug, aber diesen Kommentar behielt ich für mich.
Erst als ich Alex nach dem Essen zur Bushaltestelle begleitete, gelang es mir, endlich das Thema zu wechseln.
»Wollen wir heute Abend etwas machen?«, fragte sie, als wir die Haltestelle erreichten und stehen blieben.
»Ich muss leider arbeiten …«
»Zu dumm«, murmelte sie. »Aber du kannst mir ja eine SMS schreiben, falls wenig los ist. Dann komme ich vorbei und leiste dir Gesellschaft.«
»Gute Idee. Dann könntest du endlich Nicolas kennen lernen. Wir haben heute Abend zusammen Schicht.«
»Der Ich-schieb-ihn-Eva-bis-hinters-Gaumenzäpfchen-Nicolas?« Sie grinste.
»Genau der«, lachte ich, was mir allerdings ziemlich schnell wieder verging, als sich die Szene in mein Gedächtnis schob. Bah!
Doch mein Ekel war nicht von langer Dauer, denn ein plötzlich auftretendes Geräusch ließ jegliche Bilder wie durch Geisterhand aus meinem Kopf verschwinden. Ein herannahender Automotor. Tief. Laut. Röhrend. Dreckig. Unverkennbar. Mir stand eine Gänsehaut. Ich fühlte mich wie versteinert und drehte den Kopf nur langsam. Und tatsächlich, meine Ohren hatten sich nicht getäuscht: ein Mustang. Aber nicht etwa irgendein Mustang, nein, sondern ein alter Shelby GT. Schwarz wie die Nacht und mit zwei weißen Streifen, die sich von der langen Motorhaube übers Dach bis zum Fließheck zogen. Es grenzte an ein Wunder, auf deutschen Straßen so ein Gefährt zu sehen. Ich konnte es nicht fassen. Das war mein Auto.
Gut, genau genommen war es eher mein Wunsch auto, aber warum kleinkariert sein?
Ich schmachtete.
Generell machte ich mir eigentlich nicht viel aus Fahrzeugen, doch bei diesem war das etwas komplett anderes. Es war nicht nur ein Auto, es war das genialste und atemberaubendste Fortbewegungsmittel, das es gab. Nichts konnte ihm das Wasser reichen. Und irgendwann, dessen war ich mir sicher, würde ich selbst stolze Besitzerin eines Mustangs sein. Vielleicht nicht morgen, vielleicht auch nicht in einem Jahr – doch eines Tages würde es so weit sein.
Ich prägte mir jedes Detail ein, um möglichst lange von diesem einzigartigen Moment zehren zu können. Und dann geschah das
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