Kirschroter Sommer (German Edition)
das? Die Kleine schien jedenfalls felsenfest überzeugt davon zu sein. Trotzdem blieb ich nach den ganzen einschlägigen Vorgeschichten skeptisch. Das Dumme war nur leider, dass Alex nicht leicht von einem Vorhaben abzubringen war, das sie sich in ihren Dickschädel gesetzt hatte. Deshalb resignierte ich in diesem Moment ein bisschen. Erst ein leises »Pling«, das von meinem Laptop herrührte, holte mich aus meinen Gedanken. Ich hatte eine neue E-Mail, und wie sich herausstellte, von einen mir unbekannten Absender.
Hallo Emely,
ich sehe dich jetzt schon seit einer Weile, aber kann leider nicht den Mut aufbringen, dich anzusprechen. Deswegen kam ich auf die – zugegeben, ziemlich armselige – Idee, dir eine E-Mail zu schreiben.
Ich möchte dir einfach nur sagen, dass ich dich gerne kennenlernen würde.
Wahrscheinlich bekommst du jeden Tag hunderte solcher E-Mails, oder noch schlimmer, du hältst mich für verrückt. Dennoch sitze ich hier und hoffe, von dir eine Antwort zu erhalten.
Liebe Grüße
Luca
Nach jeder Zeile hatte sich meine Stirn mehr in Falten gelegt und inzwischen musste mein Gesicht wohl mit dem einer neunzig jährigen Frau konkurrieren. Was zur Hölle war das? Und wer zum Teufel war Luca?
Ich scrollte nach oben und sah, dass die Nachricht an meine universitätseigene E-Mail-Adresse versendet worden war. Bei Studienanfang wurde jedem Neuankömmling automatisch eine zugeteilt und weil es sogar ein Verzeichnis darüber gab, wer welche besaß, war es ein Kinderspiel, an die einzelnen heranzukommen. Den Kreis der Verdächtigen konnte ich also auf diese Weise leider nicht eingrenzen. Eher im Gegenteil, es könnte jeder gewesen sein. Die Absenderadresse selbst bestand aus nichts anderem als dem Vornamen »Luca« und dem Anhängsel eines weit verbreiteten E-Mail-Anbieters.
Das Ganze war mehr als mysteriös.
»Ich habe dich was gefragt«, nörgelte Alex und schaffte es damit, mich wachzurütteln.
»Entschuldigung«, sagte ich und blinzelte. »Ich habe nur gerade eine komische E-Mail erhalten und nicht zugehört. Was wolltest du wissen?«
»Eine komische E-Mail?«
»Ja, von irgendeinem Luca, der mich angeblich kennen lernen möchte.« Ich zuckte mit den Schultern. »Aber ich denke, da will mich nur jemand verarschen.«
Spätestens jetzt war ihr Interesse in höchstem Maße geweckt. Eifrig rappelte Alex sich vom Bett auf und stellte sich hinter mich, damit sie die E-Mail selbst lesen konnte. Ich nutzte die Zeit, um die Nachricht ebenfalls noch einmal zu überfliegen und wusste nach wie vor nicht, was ich davon halten sollte.
»Oh mein Gott, das ist ja total süß!« Alex quiekte und mir blieb nichts anderes übrig, als aufgrund ihrer Reaktion die Stirn zu runzeln.
»Jetzt werde bitte nicht hysterisch«, sagte ich.
»Was wirst du ihm antworten?«, fragte sie und klatschte in die Hände.
»Du meinst, ich soll darauf antworten ?«
»Mann, Emely.« Sie verdrehte die Augen. »Natürlich wirst du darauf antworten!«
»Hallo?« Entgeistert sah ich Alex an. »Wer weiß, was das für einer ist! Ich kenne niemanden, der Luca heißt. Das ist bestimmt irgendein dünner Computerwurm mit Hornbrille und fettigen Haaren … oder vielleicht sogar ein Psychopath!« Ich steigerte mich immer weiter hinein. »Überleg doch mal, Alex, wer kommt denn bitte auf die Idee, eine E-Mail zu schreiben? Wir sind schließlich keine dreizehn mehr, wo man sich Zettelchen schreibt. Oh Gott«, stieß ich aus. »Vielleicht ist er ja dreizehn! Er hat nirgendwo ein Alter erwähnt!«
Alex kicherte. Doch noch ehe ich mich darüber aufregen konnte, schoss mir schon eine neue Theorie in den Kopf. »Und überhaupt, was heißt: ›Ich sehe dich seit einer Weile‹ ? Beobachtet er mich? Um Himmels Willen, am Ende noch mit einem Fernrohr!« Weil ich akut einen kleinen Anflug von Verfolgungswahn bekam, warf ich hektisch einen prüfenden Blick aus dem Fenster, um nach möglichen reflektierenden Linsen Ausschau zu halten.
»Jetzt spinn nicht rum«, lachte Alex und gab mir einen Klaps auf die Schulter. »Dass du immer gleich vom Schlimmsten ausgehen musst! Die E-Mail liest sich nicht, als wäre sie von einem Psychopathen.«
»Ha!«, widersprach ich. »Die schlimmsten Psychopathen sind immer diejenigen, denen man es nicht anmerkt!«
»Ja und du bist ein unheimlich schwarzsehender Mensch! Was zum Beispiel, wenn es dein absoluter Traummann wäre? Luca hört sich eindeutig nicht nach Computerwurm an, sondern eher nach einem sexy
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