Kirschroter Sommer (German Edition)
gestern Abend unberührt auf dem Nachtschrank lag. Ich wählte mich ins Menü und klickte auf Angenommene Anrufe , wo ich die Handynummer des Blödmanns fand. Grimmigen Blickes speicherte ich sie unter »Nicht rangehen« ab, damit mir so ein dummer Fehler wie heute Nacht nicht noch einmal unterlief.
Gleich im Anschluss fiel mir ein, was ich außerdem noch zu erledigen hatte und schnappte mir deswegen umgehend mein Festnetztelefon.
Es tutete eine Weile, bis das kleine Miststück ranging.
»Ja?«
»Alexandra Schwarz, wie konntest du mir nur so in den Rücken fallen?«
»Was meinst du?«, fragte sie sichtlich überrumpelt.
»Du hast Elyas meine Handynummer gegeben! Das fällt ganz klar unter Vertrauensbruch!« Ich knurrte, während am anderen Ende der Leitung ein leichtes Kichern ertönte.
»Ach so, das meinst du«, sagte sie. »Tut mir leid, er hat mich erpresst.«
»Sehr witzig.«
»Nein, wirklich«, beteuerte sie. »Er hat gedroht, er würde Sebastian sonst von meiner Schlumpf-Unterwäsche erzählen. Ich hatte keine andere Wahl.«
Für einen Moment herrschte Ruhe in der Leitung. »Du hast Schlumpf-Unterwäsche?«, wiederholte ich schließlich und verzog das Gesicht.
»Oh«, machte sie. »Ehm … vielleicht?«
Unweigerlich bildete sich ein abartiges Bild von Alex in Schlumpf-Unterwäsche in meinem Kopf. Wer war darauf abgebildet?
Muffi Schlumpf ?
»Was hätte ich denn tun sollen?«, fuhr sie fort.
»Alles! Nur ihm nicht meine Handynummer geben!«
»Emely«, flehte sie, »es tut mir ernsthaft leid. Ich war ein bisschen angetrunken und habe mir nicht viel dabei gedacht. Es war falsch, entschuldige bitte.«
Ich grummelte.
»Wirklich«, betonte sie mit Nachdruck und stimmte mich damit ein bisschen milde. Zwar hatte ich nicht vor, ihr die Sache mit der Handynummer so rasch zu verzeihen, trotzdem wechselte ich seufzend das Thema. »Du bist eine Verräterin und wirst es immer bleiben. Aber davon abgesehen, nun erzähl schon, wie war es mit Sebastian?«
Ihre Laune schlug schneller um als der Zeiger eines Metronoms im Dreivierteltakt. »Es war unglaublich!«, sagte sie. »Wir haben uns noch den ganzen Rest der Nacht unterhalten – Emely, Sebastian ist wirklich genauso süß, wie er aussieht! Er ist ruhig, aber nicht langweilig. Er wirkt richtig erwachsen – ganz im Gegensatz zu dem nachpubertierenden Mist, mit dem ich mich sonst immer rumgeschlagen habe.« Sie holte tief Luft. »Er strahlt so etwas Männliches aus, aber trotzdem mit Gefühl, verstehst du? Und er ist witzig. Nicht plump witzig, sondern intelligent witzig. Ich musste dauernd über ihn schmunzeln. Und weißt du, was er studiert?«
Ich wusste es nicht.
»Psychologie!«
»Psychologie?«, wiederholte ich.
»Ja, ist das nicht toll?«
Das konnte man jetzt sehen wie man wollte.
»Geht so«, antwortete ich. »Aber dann kennt er sich vielleicht wenigstens mit Stalkern aus. Somit bist du genau an den Richtigen geraten.« Ich schmunzelte.
»Ich lache mich tot«, sagte sie.
»Das hast du schon öfter versprochen.«
»Unglaublich, wie witzig du heute wieder bist.« Sie seufzte. »Jedenfalls ist er wie Elyas vierundzwanzig und – das Wichtigste überhaupt – Single!«
»Das hört sich doch schon mal gut an.«
»Das hört sich sogar sehr gut an«, verbesserte sie begeistert.
»Und? Habt ihr schon ausgemacht, wann ihr euch wieder trefft?«
Sie murmelte leise vor sich. »Darüber haben wir blöderweise nicht gesprochen … Ich habe mich nicht zu fragen getraut und er scheint ein bisschen schüchtern zu sein … Oder aber er mag mich nicht.«
»Jetzt lass den Kopf nicht gleich hängen, Alex. Jeder Blinde hätte gesehen, dass er dich mag. Glaub mir. Wahrscheinlich hat er sich nur genauso wenig getraut wie du. Spätestens wenn ihr euch das nächste Mal seht, wird er nach deiner Nummer fragen. Davon bin ich überzeugt.«
»Seit wann bist du so optimistisch?«, fragte sie misstrauisch.
»Solange es nicht um mich geht, bin ich das des Öfteren.«
»Du und optimistisch?« Sie lachte. »Du bist so gut wie in jeder Hinsicht pessimistisch – und das nicht nur dann, wenn es dich betrifft.«
»Ich bin kein Pessimist«, stellte ich richtig. »Ich bin einfach nur Realist.«
»Ist das nicht das Gleiche?«, hakte sie nach, worüber ich ernsthaft nachdenken musste und nicht wirklich zu einem Ergebnis gelangte.
Wer dachte, dass Alex schon alles über ihren Abend mit Sebastian erzählt hatte, der war einem Irrtum unterlegen. Bisher hatte sie nur an der
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