Kirschroter Sommer (German Edition)
weiß, dass nichts gelaufen ist.«
»Und woher willst du das wissen?«
»Erstens weil du mich nicht betrügen würdest, Mäuschen, und zweitens weil du schon geschlafen hast, als ich dich angerufen habe.«
»Hast du deswegen angerufen?«, fragte ich und war entsetzt von dieser Hinterhältigkeit.
»Vielleicht …«, hauchte er ins Telefon.
»Weißt du was? Wären im Duden Bilder, wäre neben dem Wort ›Arschloch‹ ein Foto von dir.«
»Wow«, lachte er. »Man könnte fast meinen, du kannst mich nicht leiden.«
»Vertrau auf dein Gefühl, kann ich da nur sagen«, erwiderte ich und spürte, wie mein rechtes Augenlid bereits leicht zu zucken anfing.
»Wir werden sehen«, verkündete er mit einem arroganten Lächeln in der Stimme. »Ach, und übrigens, wenn du das nächste Mal anrufst, musst du nicht mehr Alex als Vorwand nehmen. Ich telefoniere jederzeit gerne mit dir.« Obwohl ich gerade im Begriff war, eine Orgie von Schimpfwörtern auf ihn loszulassen, musste ich diese widerwillig herunterschlucken. Es raschelte am anderen Ende der Leitung und Alex meldete sich zurück. »Ich bin’s wieder.«
»Vielen Dank auch«, sagte ich dafür, dass sie Elyas den Hörer überlassen hatte.
»Er hat ihn mir weggenommen, ich bin unschuldig!«
»Natürlich«, sagte ich. »Du bist immer unschuldig.«
»Oh Mann«, stöhnte sie plötzlich. »Jetzt hat er den Müll doch nicht mit runter genommen.«
Tja, und dass er den Müll nicht mit runter nahm, wäre noch eine der harmlosesten Sachen, die mich an Elyas stören würden, müsste ich mir eine Wohnung mit ihm teilen.
Alex und ich telefonierten noch eine Weile weiter und landeten immer wieder bei dem gestrigen Abend und den Eindrücken, die er bei uns hinterlassen hatte. Unter anderem kam das Gespräch auf Andy, den Alex genau wie ich als sehr sympathisch empfunden hatte – auch wenn er vermutlich dreimal so groß war wie sie. Obwohl ich Elyas am liebsten alles nur erdenklich Böse unterstellen wollte, zählte Rassismus, da Andy dunkelhäutig war, nun leider nicht mehr dazu … Ob ich ihn mal fragen sollte, wie er zu kleinen Kindern stand? Wobei, nein, Priester zu werden passte nun wirklich nicht zu Elyas.
Erst nach einer weiteren halben Stunde beendeten wir das Telefonat und ich rappelte mich vom Bett auf. Mein Magen knurrte bereits und weil Eva mittlerweile tief und fest schnarchte, begab ich mich allein zu einem der zwei Gemeinschaftsräume.
Der erste fungierte als Küche, war ziemlich kahl gehalten und hätte wegen seiner alten Einrichtung eine Renovierung inzwischen bitter nötig gehabt. Außer einem Kaffeeautomaten und der abgenutzten Küchenzeile befanden sich dort auch noch fünf Esstische.
Der zweite Gemeinschaftsraum diente als überdimensionales Wohnzimmer. Quer verteilt standen mehrere verschiedenfarbige und vom Modell her unterschiedliche Sofas, die man wohl größtenteils als Flohmarkt-Errungenschaften bezeichnen konnte. Auf einem hüfthohen Schrank standen sowohl ein Fernseher als auch ein DVD-Player, die im Gegensatz zu der Playstation bisher noch nicht geklaut worden waren.
Richtige gemeinschaftliche Aktivitäten unter den Bewohnern gab es kaum. Jeder lebte hier sein eigenes Leben. Natürlich entstanden dann und wann Freundschaften oder auch Beziehungen, so wie ich das mitbekam, doch das fand nicht in der Gruppe, sondern eher im Einzelnen statt. Für Gewöhnlich grüßte man sich nett auf dem Flur, trank hin und wieder einen Kaffee miteinander und danach ging man wieder getrennte Wege. Mehr als flüchtige Bekanntschaften waren in meinem Fall nicht daraus resultiert.
Ich bog in die Küche, lächelte dem blonden Mädchen am Kaffeeautomaten zu und kramte in Evas und meinem Schrankfach nach etwas Essbaren. Ein vor acht Tagen abgelaufenes Fertiggericht war das traurige Ergebnis. Ich seufzte und öffnete die Packung, um mir den Inhalt aus getrockneten Nudeln genauer anzusehen. Ganz dem Anschein nach war es noch in Ordnung. Ich füllte es in einen Topf, gab Wasser hinzu und rührte mir eine geschlagene halbe Stunde den Arm ab.
Als die leicht nach Biotonne riechende, vor Geschmacksverstärkern und Konservierungsstoffen nur so strotzende Pampe endlich gar war, füllte ich sie in einen Teller. Ich stellte den Topf in die Spülmaschine, griff nach einem Löffel und begab mich samt Essen zurück in mein Zimmer. Nun ja … unter »lecker« verstand ich gewiss etwas anderes, aber wenigstens machte es satt.
Nachdem ich den Teller beiseite gestellt hatte, steckte
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