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Kirschroter Sommer (German Edition)

Kirschroter Sommer (German Edition)

Titel: Kirschroter Sommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bartsch
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einen Zettel mit seiner Handynummer. Die Schrift war blau und krakelig, aber gerade noch erkennbar. »Wenn du Lust hast, kannst du mich ja mal anrufen. Wir könnten uns auf einen Kaffee treffen oder was auch immer du sonst willst.« Er lächelte, und ich steckte mir den kleinen Zettel in die Hosentasche.
    »Mein Zeitplan ist ziemlich straff, aber ich werde es versuchen.«
    »Das ist mehr, als ich mir erhofft habe«, zwinkerte er mir zu. »Ich freue mich drauf.«
    »Bis dann«, sagte ich. »Und danke fürs Mitnehmen.«
    »Keine Ursache«, lächelte er, während ich bereits die Tür öffnete und ausstieg. Ich schritt über den großen Hof und als ich mich anschließend die Stufen zu meiner Wohnung nach oben quälte, fragte ich mich zum wiederholten Male, warum ich so dumm gewesen war und ausgerechnet Rum getrunken hatte. Das einzig Positive daran war, dass ich das Thema Rum nun mit »Vertrage ich immer noch nicht; frühestens wieder in zehn Jahren ausprobieren« abhaken konnte.
    Ich sperrte die Tür auf und schlich leise ins Zimmer. Wie erwartet schlief Eva bereits und weil ich sie bestens kannte, wusste ich, dass man sie aus diesem Zustand auch besser nicht herausholte. Ich ging ins Bad, massierte mir vor dem Spiegel die Schläfen und wünschte mir nichts sehnlicher, als endlich im Bett zu liegen. Halbherzig putzte ich mir die Zähne, schüttelte mir die Hose von den Beinen und beschränkte meine Abendwäsche auf das Nötigste. Mit einem T-Shirt bekleidet verließ ich das Bad, schaltete das Licht aus und kroch unter meine Bettdecke. Wie vereinbart schrieb ich Alex noch eine SMS, bevor ich das Handy auf mein Nachtschränkchen legte und endlich die Augen schloss.
    Irgendetwas klingelte. Müde wälzte ich mich umher und murmelte. Mir kam es vor, als hätte ich erst fünf Minuten geschlafen, doch ein blinzelnder Blick auf meine Uhr verriet das Gegenteil. 5:43 Uhr. Das Handy auf meinem Nachtschrank blinkte im Takt zur Anrufmelodie und vibrierte erbarmungslos gegen die hölzerne Oberfläche. Wer in aller Welt rief mich mitten in der Nacht an?
    Ich rieb mir die Augen und setzte mich auf. Wie ferngesteuert patschte ich nach dem Telefon und nahm das Gespräch an.
    »Ja …?«, meldete ich mich verschlafen.
    »Hi«, hauchte die Stimme am anderen Ende der Leitung, die ich erst nach kurzer Sortierung meiner Gedanken zuordnen konnte. Oh mein Gott, hatte ich gerade einen Albtraum?
    Ich seufzte, ließ mich zurück aufs Bett plumpsen und vergrub mein Gesicht im Kopfkissen. »Woher hast du meine Nummer?«, murmelte ich.
    »Betriebsgeheimnis.«
    Von wem sollte er sie schon haben? Es gab schließlich nur eine Person, die dafür infrage kam und der man so eine Frechheit tatsächlich zutrauen konnte. Alex war tot – so was von tot.
    »Mann, Elyas«, stöhnte ich. »Was willst du?«
    »Ich wollte dir nur eine gute Nacht wünschen, mein Schatz«, sagte er scheinbar unschuldig, doch ich konnte sein verschlagenes Grinsen regelrecht vor mir sehen.
    »Nacht«, knurrte ich verärgert und legte auf.
    So ein Blödmann.
    Tief zog ich mir die Decke ins Gesicht und versuchte wieder einzuschlafen, was mir, nachdem ich mich noch ein bisschen über den Anruf aufgeregt hatte, glücklicherweise auch bald gelang.

KAPITEL 6
    Love Letters
    Hey Emely,
    entschuldige, dass ich mich jetzt erst melde. Ich war gestern noch lange mit Freunden unterwegs und bin erst in den frühen Morgenstunden ins Bett gekommen.
    Hattest du auch einen schönen Abend? Du bist mir doch hoffentlich treu geblieben?
    Ich schäme mich wirklich zutiefst, aber leider muss ich gestehen, kaum etwas über deine Lieblingsautoren zu wissen. Edgar Allan Poe schrieb Gedichte, oder? Und was Chuck Palahniuk betrifft, so hoffe ich inständig, es handelt sich um keine ansteckende Krankheit.
    An Franz Kafka dagegen habe ich eher böse Erinnerungen …
    Damals, zu Schulzeiten, wurde ich genötigt, ein paar Kurzgeschichten von ihm zu lesen. Nach dieser einschneidenden Erfahrung ist es mir schleierhaft, warum man sich so etwas freiwillig antut. Bei jedem Ende eines Satzes wusste ich nicht mehr, wie er anfing.
    Lachst du mich jetzt aus? Es wäre jedenfalls gerechtfertigt.
    Genügt es denn nicht, dass du hübsch bist und einen guten Musikgeschmack hast?
    Nein, jetzt musst du mich auch noch mit höherer Intelligenz in die Knie zwingen.
    Verschweigst du mir sonst noch etwas? Hast du vielleicht zufällig die Quantenphysik verstanden? Oder kannst du beim Niesen als einziger Mensch die Augen offen

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