Kirschroter Sommer (German Edition)
glaubst oder nicht, ich lese ihn sogar ziemlich gerne freiwillig. Ich mag seine Nüchternheit, ich mag es, wie er die Dinge beim Namen nennt und ich mag seine Ironie.
Wie oft ich richtig verliebt war?
Ehrlich gesagt finde ich es nicht gerade leicht, diese Frage zu beantworten, aber ich werde mir Mühe geben.
Zu allererst würde ich behaupten, mich nicht gerade schnell und oft zu verlieben. (Ganz im Gegensatz zu meiner besten Freundin … Doch das ist ein anderes Thema.)
Ich habe gelernt, dass es zwischen Liebe und Liebe Unterschiede geben kann. Würdest du mich nur fragen, wie oft ich verliebt war, dann würde ich dir mit meinen mittlerweile dreiundzwanzig Jahren zur Antwort geben, es drei Mal gewesen zu sein.
Doch du wolltest wissen, wie oft ich richtig verliebt war …
So traurig es auch ist, aber umso länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, es tatsächlich nur ein einziges Mal in meinem Leben gewesen zu sein. Dieses Gefühl, weiche Knie zu bekommen, nur weil die andere Person gerade den Raum betritt, oder bei einem bloßen Augenkontakt den Verstand zu verlieren und einfach keine Luft mehr zu kriegen – all das habe ich nur einmal erlebt.
Tja, und wie es eben so ist, natürlich ausgerechnet bei jemandem, der diese Gefühle nicht erwiderte.
Aber wie sagt man? That’s Life.
Es liegt schon eine ganze Weile zurück und obwohl ich es damals nicht für möglich gehalten hätte, bin ich schon sehr lange darüber hinweg.
Was glaubst du, passiert einem so etwas nur einmal im Leben?
Vielleicht trage ich immer noch einen kleinen, nahezu minimalistischen Funken Hoffnung in mir, aber ich bin realistisch genug, mir diesen auszureden und nicht auf ein Wunder zu warten.
Verrätst du mir auch, wie oft du richtig verliebt warst?
Liebe Grüße
Emely
Ich schickte die Mail ab und starrte noch eine ganze Weile auf den Bildschirm. Manchmal wurde einem Dinge erst bewusst, sobald man davon erzählte. Behielt man Dinge für sich, konnte man sie schöndenken, verzerren oder gar verdrängen. Doch sprach man sie aus, dann stand die Wahrheit unwiderruflich im Raum. Lachte einem ins Gesicht und schrie einem entgegen, was man nicht wahrhaben wollte. Mein Blick schien mit dem Bildschirm zu verschmelzen, bis die schwarzen Buchstaben sich auflösten, scheinbar eins mit dem weißen Hintergrund wurden und ich nur noch ins Nichts starrte.
Erst ein lautes Rumpeln holte mich aus dieser anderen Welt und ließ mich fürchterlich zusammenfahren. Eva. Ich blinzelte und klickte geistesgegenwärtig die E-Mail weg.
»Du bist schon hier?« Ich drehte mich zu ihr um. Sie schloss die Tür hinter sich, genauso laut, wie sie sie geöffnet hatte, zog ihre Schuhe aus und warf sie in die Ecke. »Meine Fresse«, stöhnte sie, »diese Füße bringen mich noch um.« Ohne auf meine Frage einzugehen, steuerte sie aufs Bett zu und ließ sich mit einem Seufzen darauf fallen.
»Ich finde, derjenige, der Schuhe mit hohen Absätzen erfunden hat, sollte sie selbst anziehen und spaßeshalber einen ganzen Tag damit durch die Stadt laufen.«
»Warum ziehst du auch solche Schuhe an, wenn du Erledigungen machst? Hast du schon mal was von Sneakers gehört?«
»Aber … aber Pumps machen doch so tolle schlanke Beine …«
Ich verdrehte die Augen und enthielt mich eines Kommentars.
»Und du?«, fragte sie nach kurzer Pause. »Hast du wieder diesem komischen Typen geschrieben?«
Mist . Sie hatte es also doch noch gesehen. Ich hasste es, von ihr dabei erwischt zu werden.
»Kann sein …«, murmelte ich.
»Ach, Emely«, sagte sie. »Irgendwie finde ich das albern. Du weißt nicht, wie er aussiehst, du weißt nicht, wie er im Bett ist … Was soll das denn für eine Zukunft haben?«
Das Schlimme daran war, dass sie wahrhaftig jedes Wort ernst meinte.
»Eva, Schatz«, lächelte ich, stand auf und legte mich ihr gegenüber auf mein Bett. »Das verstehst du nicht.«
»Nein, das tue ich wirklich nicht«, antwortete sie, und für einige Minuten kehrte Stille ein.
»Sag mal«, fiel es ihr irgendwann ein. »Kann es sein, dass dein Handy letzte Nacht geklingelt hat?«
Ich dachte nach und wollte schon mit dem Kopf schütteln, als sich auf einmal eine böse Erinnerung in mein Gedächtnis schob. Tatsächlich hatte mich Elyas, dieser Blödmann, mitten in der Nacht aus dem Bett geklingelt. Ich war völlig im Halbschlaf gewesen, deshalb wäre es mir beinahe entfallen – zumindest bis jetzt.
»Gut möglich«, murrte ich und suchte nach meinem Handy, das seit
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