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Kismet Knight

Titel: Kismet Knight Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynda Hilburn
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sehr sauber. Er öffnete uns die seitliche Schiebetür, und Midnight und ich stiegen ein, wobei wir Emerald von beiden Seiten aufrecht hielten – sie schien gerade das Bewusstsein zu verlieren. Ihr Kopf hing nach vorn, als wären sämtliche Knochen und Muskeln aus ihrem Hals verschwunden, so dass ihr Kinn die Brust berührte. Sie gab kleine Wimmergeräusche von sich, die tief aus ihrem Inneren zu kommen schienen, und alle paar Sekunden flatterten ihre Lider, als befände sie sich im REM-Schlaf.
    Das Krankenhaus lag nur ein paar Straßen entfernt, aber natürlich erwischten wir jede rote Ampel und jede baustellenbedingte Umleitung auf der ganzen Strecke.
    Ronald sah im Rückspiegel zu uns nach hinten. »Was meinst du, wer ihr das angetan hat, Midnight?«
    »Woher soll ich das wissen?«, fauchte Midnight; ihre Stimme triefte vor Feindseligkeit.
    Ich zog zu ihr hin die Augenbrauen hoch, und sie sagte: »Ronald kann Bryce und seine Freunde auch nicht leiden.«
    Mein Blick glitt zwischen den beiden hin und her. »Soll ich das jetzt so verstehen, dass Bryce etwas mit Emeralds Verletzungen zu tun hat?« Angesichts der Unterhaltung dachte ich bereits an den Anruf bei der Polizei, den ich vornehmen musste. Als Therapeutin war ich verpflichtet, Verletzungen zu melden.
    »Niemand weiß, wer Emerald verletzt hat. Ronald führt sicheinfach eklig auf«, giftete Midnight. »Er ist sauer, weil Bryce mich und nicht ihn ausgewählt hat.«
    »Ich bin doch nicht derjenige, der sich eklig aufführt!«, schnappte Ronald zurück.
    Offenbar gibt es bei dieser Vampirspielerei mehr Aspekte, als mir bisher klar war.
    Wir erreichten schließlich doch noch den Eingang der Notaufnahme; Ronald fuhr sein Auto ins Parkverbot, kam zu uns nach hinten, um uns herauszuhelfen, und übernahm meine Seite bei Emerald, die während der Fahrt in die Bewusstlosigkeit hinübergeglitten war. »Dr. Knight, gehen Sie doch schon hinein und erledigen Sie das Offizielle.«
    Ich versuchte, so offiziell wie möglich auszusehen, als ich zur Empfangstheke rannte und eine Schwester rekrutierte. Eine fahrbare Bahre erschien, und Emerald wurde fortgebracht.
    Weil Midnight die Einzige von uns war, die Emerald näher kannte, übernahm sie es, die Papiere für das Krankenhaus auszufüllen; Ronald ging währenddessen wieder hinaus, um sein Auto wegzufahren, bevor es abgeschleppt wurde.
    Als Midnight die Fragen der Schwester beantwortet hatte, setzten wir uns auf die harten orangefarbenen Plastikstühle in dem riesigen lärmerfüllten weißen Wartebereich. Die Notaufnahme war voller Menschen in unterschiedlich besorgniserregender Verfassung, und pausenlos trafen weitere ein. Dazu kam noch der alles durchdringende Krankenhausgeruch, eine Mischung aus Desinfektionsmitteln, Körperausscheidungen und Angst. Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, wie es sein musste, in einer so chaotischen Umgebung zu arbeiten, in der man ständig auf Adrenalin lief. Es war fast, als könnte ich die Anspannung in der Luft hängen sehen.
    Bei Gelegenheiten wie dieser konnte meine »Sensibilität«wirklich zum Problem werden. Sensorische Überlastung. Machtvolle Emotionen und das Gefühl von körperlichem Unbehagen stürmten von allen Seiten auf mich ein, und ich begann, sämtliche Tricks einzusetzen, die ich je gelernt hatte, um mich vor den unerwünschten Eindrücken zu schützen. Ich schloss fest die Augen und stellte mir vor, ich wäre von einer Festung aus hohen und dicken Mauern umgeben. In der Regel erfüllte diese Visualisierung ihren Zweck, aber dieses Mal ließ sie das Chaos kaum schwächer wirken. Ich war immer noch nervös.
    Ich war schon immer in der Lage gewesen, die Empfindungen und Emotionen anderer zu spüren, aber in der Regel hatte es sich einfach um eine Art von außersinnlicher Wahrnehmung gehandelt, eine persönliche Veranlagung. Auf irgendeine Weise schien ich zu wissen, was in anderen Menschen vorging. Es konnte in Therapiesitzungen sehr praktisch sein, weil ich meine Intuition einsetzen und manche Schritte einfach überspringen konnte.
    In diesem Augenblick hatte ich das Gefühl, dass mein Unbehagen etwas mit der seltsamen Begegnung mit Devereux ein paar Tage zuvor zu tun hatte, obwohl ich nicht wusste, wie ich darauf kam. Vielleicht hatte das, was er über mein
drittes Auge
gesagt hatte – als ob es etwas Derartiges auch nur gäbe! –, mich veranlasst, eine weitere unerwünschte Fähigkeit wieder auszugraben. Der Gedanke ging mir durch den Kopf, dass es vielleicht helfen

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