Kismet Knight
alles. Aber bring mich erst einmal einfach hier raus!«
Seine Augen bohrten sich in meine; dann nickte er. Entweder sah ich hinreichend unzurechnungsfähig aus, und er hatte beschlossen, mir um des lieben Friedens willen den Gefallen zu tun, oder er sah tiefer und hatte erkannt, dass mein Entsetzen vollkommen echt und begründet war. Ich konnte wenigstens mir selbst gegenüber eingestehen, dass ich bei gewalttätigen Verrückten kein gutes Händchen hatte, und was ich da unten gesehen hatte, hätte auch in meinem schlimmsten Alptraum passieren können.
Er griff nach meinen Händen und sah mir in die Augen.
»Okay. Hol tief Luft! Wir finden Tom. Du siehst dich auf der Tanzfläche um, und ich schaue nach, ob er wieder die Barfrau anstiert. Wir treffen uns in fünf Minuten draußen.«
Ich nickte erleichtert, zog meine Hände aus seinen und machte mich auf den Weg zu der überfüllten Tanzfläche. Ich war erst ein paar Schritte weit gekommen, als ich mich noch einmal zu Alan umdrehte, um ihm zuzuschreien, er solle sich beeilen, und dabei sah ich ihn durch die Tür zum Keller stürzen. Ich hätte wahrscheinlich wissen sollen, dass er den Einmann-Rettungstrupp geben würde, wie der FBI-ler, der er war. Ich vermerkte die Tatsache, dass er mir in die Augen gesehen und dabei gelogen hatte.
Jetzt war ich eher verärgert als verängstigt, als ich davonstürmte, um Tom aufzutreiben. Alan konnte in dem Irrsinn dort unten herumwaten, wenn er wollte, aber ich würde Tom am Kragen packen, ein Taxi holen und machen, dass ich hier wegkam. Je weiter all das, was ich dort unten zu sehen bekommen hatte, hinter mir lag, desto wahrscheinlicher erschien mir die Möglichkeit, dass jemand mir einfach irgendeine Droge ins Glas gekippt hatte.
Ich suchte mehrere Minuten lang den Club ab; ich ging sogar so weit, mich vor der Männertoilette herumzudrücken und jedes Mal, wenn die Tür sich öffnete, einen schnellen Blick ins Innere zu werfen. Das trug mir zwar eine Menge unerwünschte Aufmerksamkeit, anzügliche Bemerkungen und unzweideutige Einladungen ein, nicht aber einen einzigen Blick auf Tom.
Und wenn ich’s mir recht überlegte – von Zoë hatte ich auch nichts mehr gesehen.
Ein Vorteil, wenn man von Natur aus groß ist und außerdem hohe Absätze trägt, ist die bessere Sicht. Von meiner Aussichts-plattformaus konnte ich über einen erheblichen Teil der weggetretenen Partygäste sehen und mir eine Menge unnötiges Gerempel ersparen.
Wenn Tom sich noch in diesem Raum befand, dann musste er unter einem Tisch stecken, denn ich sah ihn nirgends stehen oder sitzen. Und Alan war noch nicht von dem unterirdischen Testosteronwettkampf zurück, ich war also auf mich allein gestellt. Was in Ordnung war – daran war ich gewöhnt.
Mir kam plötzlich der Gedanke, dass Tom möglicherweise irgendwo draußen war, und so lief ich zielstrebig zum Eingang. Dort stellte ich fest, dass der leichenhafte Türsteher nicht zu sehen war. Ich stieß die schwere Doppeltür auf und trat in die kühle Nachtluft hinaus, und dann stand ich einen Moment einfach da und hustete – meine Lungen teilten mir in aller Deutlichkeit mit, dass ich so einfach nicht davonkommen würde, nachdem ich einen Abend lang den Chemikaliendunst der Nebelmaschine eingeatmet hatte.
Ich trug keine Armbanduhr, aber es konnte nicht mehr allzu lange dauern, bis der Laden schloss. Tom war auch hier draußen nicht zu finden, aber irgendwann würde er ja herauskommen müssen, also beschloss ich zu warten. Dann kam mir der Gedanke, dass er vielleicht einfach ohne mich gegangen war. Da stand ich nun und wartete, um sicherzustellen, dass er wohlbehalten nach Hause kam, und wahrscheinlich hatte er sich längst empfohlen, ohne einen Gedanken an mich zu verschwenden. Es sähe ihm ähnlich. Und es sähe mir ähnlich, mich wieder einmal seinetwegen zum Affen zu machen. Wie konnte eine Frau eigentlich so intelligent und so dumm zugleich sein?
Vor dem Club standen Gruppen von Leuten in unterschiedlichen Stadien der Alkoholisierung, des Drogenrausches und der leidenschaftlichen Umarmung, und so schlenderte ich ein Stückweit an dem Gebäude entlang und lehnte mich dann an die Mauer, verschmolz mit den Schatten, übte mich in der Kunst des Atmens und genoss es, allein zu sein.
In Gedanken ging ich durch, was ich in dem Keller gesehen hatte. Nichts davon passte zu irgendeinem Teil meiner therapeutischen Erfahrungen. Niemals war mir bei meinen Recherchen etwas begegnet, zu dem Reißzähne,
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