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Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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fest.
    Die Luft im Raum war stickig und roch nach Schimmel und Blut.
    Betonwände, düsteres Licht.
    Ein Fußboden voller Sand.
    Ein Kerker. Er befand sich in einem Kerker.
    Wie war er hier gelandet?
    Die Erinnerungsfetzen zogen in schneller Reihenfolge vor seinem inneren Auge vorbei, als ob er mit dem Daumen ein Pack Spielkarten durchblätterte.
    Der Friedhof.
    Der Golfwagen.
    Der Sattelschlepper.
    Jack.
    JACK.
    »JACK!«, schrie er.
    »Phin? Bist du das?«
    Das war nicht Jack. Phin reckte den Hals und sah einen identischen Stuhl, der seinem gegenüberstand. Auch an ihn war jemand gefesselt.
    »McGlade?«
    »Bitte sag mir, dass wir zu viel getrunken haben und in einem Domina-Studio gelandet sind.«
    »Luther hat uns in seiner Gewalt.«
    »Meinst du, dass er uns ’ne echte Domina mitbringt?«
    »Das bezweifle ich.«
    »Hab ich’s mir doch gedacht.«
    »Hast du Jack oder Herb gesehen?«
    »Nein. Ich seh hier nur so ’ne Art Schaltpult auf einem Wägelchen. In der Wand gegenüber ist ein großes Fenster, aber dahinter ist es dunkel. Daneben hängt eine Tafel, aus Messing oder so, da steht was drauf. Ich kann aber nur KREIS und GEWALT lesen. Die anderen Worte sind zu klein. Und …« McGlade sprach den Satz nicht zu Ende.
    »Und was?«
    »Da ist ein Mensch. Sieht aus wie ’n Kerl. Sitzt in der Ecke.«
    »Lebt er noch?«
    »Nein.«
    »Bist du dir sicher?«
    »Du kannst ja mal schreien und schauen, ob er aufwacht. Aber ohne Kopf wird er dich wohl kaum hören.«
    Phin lief es kalt den Rücken herunter. »Müsste jetzt nicht ein dämlicher Spruch von dir kommen, irgendwas mit ›Nur nicht den Kopf verlieren‹ oder ›Einen kühlen Kopf bewahren‹ oder so?«
    Harry antwortete nicht.
    »Bist du noch da, Harry? Dreh mir jetzt bloß nicht durch.«
    »Ein Killer hat mich entführt und ich sehe gerade eine Leiche ohne Kopf vor mir. Wer würde da nicht durchdrehen?«
    »Wir müssen rational denken.«
    McGlade atmete langsam aus. »Willst du wissen, woran ich gerade rational denke? Wir sind wieder mal gefesselt und warten darauf, dass so ein Irrer uns zu Tode foltert. Eigentlich sollte ich mir jetzt vor Angst in die Hose machen.«
    »Reiß dich gefälligst zusammen, Harry.«
    »Wir hatten das doch alles schon mal«, sagte McGlade. »Weißt du, wie oft ich vom letzten Mal Albträume hatte?« Seine Stimme überschlug sich. »Ich … ich kann nicht mehr, Kumpel.«
    »Doch, du schaffst das.«
    »Schaff ich nicht. Ich hab das schon mal erlebt. Ich kann nicht …«
    »Wir kommen hier raus, Harry. Noch ist nicht aller Tage Abend.«
    Aber Phin glaubte selbst nicht an seine Worte. Und als er Harry leise weinen hörte, klangen sie erst recht hohl.

Jack
    Ich rannte durch das wuchernde Unkraut im Garten und trat auf die Veranda. Wie alle anderen Häuser hier stand auch dieses kurz vor dem Einstürzen. Jedenfalls neigten sich die Wände gefährlich nach links. Durch die Tür drangen die Schreie einer Frau.
    Eine Frau. Ich atmete auf. Gleichzeitig schämte ich mich, weil ich mich darüber freute, dass es niemand war, den ich kannte.
    Sie schrie wieder.
    Ich musste ihr helfen, zögerte aber einen Augenblick. Wenn ich jetzt unbewaffnet in das Haus eindrang, brachte ich mich selbst in Gefahr.
    Aber dann drehte ich doch den Knauf und öffnete vorsichtig die Tür.
    Es dauerte eine Weile, bis sich meine Augen an das schummrige Licht gewöhnten. Als ich einigermaßen sehen konnte, erkannte ich ein vergammeltes Sofa am hinteren Ende des Wohnzimmers, das nur noch aus einem Holzrahmen und rostigen Sprungfedern bestand. Erde, Laub, Tierexkremente und Pfützen mit abgestandenem Wasser zeugten davon, dass die Natur längst von dem Gebäude Besitz ergriffen hatte. Auf dem Boden lag ein zerbrochener Couchtisch und darüber baumelte eine nackte Glühbirne an einem Kabel von der durchhängenden Gipsplattendecke.
    »Hallo?«, rief ich.
    »Hier hinten!«, schrie eine Frau.
    Die Holzdielen knarzten unter meinem Gewicht, als ichdurch das Wohnzimmer lief und dabei immer wieder klaffenden Löchern im Boden, wo das Holz durchgebrochen war, ausweichen musste.
    Ich hielt inne und lauschte.
    Ich befand mich in einem dunklen, schmalen Flur. Durch ein Loch in der Decke regnete es herein. Am Ende des Flurs zeichneten sich im spärlichen Licht die Umrisse einer Tür ab. Dahinter ertönte ein Chor von Schreien aus mehreren Kehlen, dann Stöhnen.
    Als ich einen Schritt nach vorne machte, zerbrach eine Holzdiele mit lautem Knacken. Ich versank mit dem rechten Bein in

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