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Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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dem Hohlraum zwischen Fuß- und Erdboden. Mein Fuß blieb im kalten Schlamm stecken. Ich zog ihn heraus und hievte mich aus dem Loch. Die Sehnen meiner Ellbogen schmerzten von der Anstrengung und ich rang keuchend nach Atem. Der Schweiß lief mir in Strömen übers Gesicht.
    Das Geschrei hinter der Tür hörte nicht auf, aber ich konnte nicht sofort weiter. Es hatte mich viel Kraft gekostet, nach dem Sturz in das Loch wieder auf die Beine zu kommen, und meine ohnehin schon geringen Energiereserven waren verbraucht. Mir war schwindlig und ich hatte Schmerzen am ganzen Körper. Obwohl ich erst vor ein paar Minuten aufgewacht war, war ich bereits vollkommen fertig.
    Ich konnte mich gerade noch auf den Beinen halten und taumelte die letzten Schritte bis zur Tür.
    Ich stieß sie auf und stand keuchend auf der Schwelle. Sterne tanzten vor meinen Augen, und ich hatte das Gefühl, jeden Moment in Ohnmacht zu fallen.
    Oh … du lieber Gott.
    Der Raum war früher mal ein kleines Schlafzimmer gewesen. Durch das Fenster konnte man hinaus in den Garten sehen, wo eine Kinderschaukel stand. Dahinter erhoben sich Fabrikhallen.
    Der Fußboden bestand nur noch aus Sperrholzplatten. An den Wänden hatte man stellenweise die Gipskartonplatten herausgerissen, sodass nur noch das Ständerwerk übrig blieb. An den Metallständern waren Fuß- und Handschellen sowie Halseisen befestigt. Vier Menschen waren daran gekettet, an jeder Wand einer. Ein Geruch, der mich an Grillfleisch erinnerte, hing in der Luft, und plötzlich sah ich von den Schultern eines alten Mannes am anderen Ende des Zimmers Rauch aufsteigen. An mehreren Stellen seiner Cordjacke befanden sich verkohlte Löcher, an deren Rändern Asche glühte.
    Der Kopf des Mannes hing herab und er bewegte sich nicht. Er stand auf einem rußgeschwärzten Metallrost.
    Plötzlich rief eine blonde Frau, die ein paar Jahre älter als ich war, meinen Namen.
    Unsere Blicke kreuzten sich und blieben aneinander haften.
    In ihren Augen spiegelte sich nackte Angst wider.
    In meinen wahrscheinlich auch.

Luther
    Er brüllt ins Mikrofon: »Sagen sie es! Sagen Sie’s schon! Das ist der Anfang! Wenn Sie jetzt Mist bauen, zeige ich Ihnen, was echter Schmerz ist! Sagen Sie es!«

Jack
    Der Frau liefen Tränen übers Gesicht und sie zitterte am ganzen Körper.
    »Willkommen in der Hölle, Jack«, sagte sie mit einer Stimme, die klang, als käme sie nicht von dieser Welt.
    »Ist Luther hier?«, fragte ich.
    »Ich weiß nicht.«
    »Ich werde Ihnen helfen«, sagte ich. »Ich werde euch alle hier rausholen.«
    Die Angst stand ihr im Gesicht geschrieben. Sie schüttelte den Kopf. »Sie können uns nicht helfen.«
    Ich machte einen Schritt in das Zimmer und sah mir den Metallrost auf dem Boden näher an. Unter den Gittern züngelten die Flammen.
    Luther hatte das Zimmer in einen Backofen verwandelt.
    Ich konnte mir nicht vorstellen, wie viel Zeit und Geld es wohl kostete, so etwas zu bauen. Und wozu? Was bezweckte Luther mit diesem Aufwand?
    In einer der Ecken hing eine Überwachungskamera von der Decke. Darunter befand sich eine etwa dreißig Zentimeter lange und zehn Zentimeter breite Messingtafel, auf der die Worte »Erster Kreis: Limbus« und die Ziffern 666 eingraviert waren.
    Ich ging zu dem Mann, von dessen Körper Rauch aufstieg, und prüfte seinen Puls. Eigentlich wusste ich, dass er tot war, aber ich versuchte es trotzdem. Dann ging ich weiter zu der Frau, die mit mir gesprochen hatte, und sah mir ihre Ketten an.
    Sie waren aus solidem Eisen. Ohne fremde Hilfe oder Werkzeuge konnte ich nichts machen. Ich warf einen Blick auf die anderen Gefangenen, zwei Männer. Sie zuckten, als litten sie an Schüttellähmung.
    »Ich komme wieder«, versprach ich.
    Die Frau flüsterte kaum hörbar: »Lassen Sie mich hier nicht zurück.«
    »Ich brauche etwas, womit ich diese Ketten aufbrechen kann.«
    »Bitte«, flehte sie und reckte eine Hand nach mir, soweit es die Kette zuließ.
    Ich nahm sie und drückte sie leicht.
    »Wie heißen Sie?«, fragte ich.
    Sie brauchte eine Weile, ehe sie mir antwortete, als könne sie sich nicht erinnern. »Andrea.«
    »Andrea, ich bin Jack Daniels, und ich komme wieder, so schnell es geht. Das verspreche ich Ihnen.«
    Ich verließ eilig den Raum und manövrierte vorsichtig um die Löcher im Flur herum. In der Küche durchwühlte ich die Schränke und Schubladen auf der Suche nach Gegenständen, mit denen ich die Ketten oder die Metallständer, an denen sie befestigt waren,

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