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Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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leise vor sich hin.
    »Hat sonst noch jemand Fragen?« Luther blickt in die verschreckte Runde. »Ausgezeichnet.« Er hat noch drei Kugeln im Magazin, legt aber sicherheitshalber ein neues ein. »Na, wie kommen Sie voran, Steve?«
    Der Dicke ist inzwischen ganz hinten angelangt.
    »Ich hab alle.«
    Die Frau mit dem Sack Handschellen ist zur Hälfte durch.
    »Und wie läuft’s bei der Domina?«
    »Gut«, heult sie.
    »Wenn Ihnen jemand Schwierigkeiten macht, sagen Sie mir einfach Bescheid.«
    »Jawohl, Sir.«
    Eine unheimliche Stille breitet sich im Reisebus aus. Außer dem Klimpern und Klicken der Handschellen hört man keinen Laut.
    Steve kommt zurück und schmeißt Luther die Plastiktüte voller Handys vor die Füße. Dann legt er sich selbst ein Paar Handschellen an und geht zu seinem Platz.
    Luther hält das Mikrofon vor den Mund.
    »Wir steigen jetzt alle aus, und zwar immer zu zweit. Wir fangen hier vorne an. Ich habe für Sie Zimmer hergerichtet, manche sogar mit Feldbetten. Ich möchte zwar nicht noch mehr Leute erschießen, aber es ist Ihnen hoffentlich klar, dass ich nicht zögere. Beim nächsten Mal gibt es keine Warnung. Ich werde Sie nur einmal auffordern. Wenn Sie meine Anweisungen nicht zu hundert Prozent befolgen, schieße ich auf der Stelle. Ich weiß, das ist nicht gerade die Busreise quer durch Amerika, die Sie gebucht haben, aber eins verspreche ich Ihnen …« Er grinst breit. »Das hier ist eine ganze Ecke aufregender.«

Zweiter Teil
    »Lasst, die ihr eingeht, alle Hoffnung fahren.«
    Dante Alighieri,
Die Göttliche Komödie

Luther
    Der Anzug des Dicken ist schmutzig und zerrissen.
    Er sitzt auf dem Boden und blickt zu Luther auf. Dabei bemüht er sich, trotzig dreinzuschauen, aber Luther spürt die Angst, die der Mann ausstrahlt. Die Hände sind mit Kabelbindern auf den Rücken gefesselt, und Luther stellt sich vor, wie die fetten Wurstfinger zittern.
    »Wie geht es Ihnen, Herb?«
    Der Dicke starrt ihn nur wütend an.
    »Ich kann verstehen, dass Sie sauer auf mich sind.«
    »Wo ist Jack?«
    »Die ruht sich gerade aus. Sie hat einen langen Tag vor sich. Dasselbe gilt übrigens für Sie und Ihre Freunde, Harry und Phin.«
    »Was haben Sie mit ihr gemacht, Sie Arschloch?«
    »Davon können Sie sich selbst ein Bild machen. Ziemlich bald sogar, innerhalb der nächsten paar Stunden. Bei dem, was passieren wird, werden Sie eine wichtige Rolle spielen.«
    Luther bückt sich, holt ein schwarzes Samttuch aus einer zerknitterten Papiertüte und legt es vor Herb auf den Tisch.
    »Bevor wir anfangen, möchte ich eines klarstellen. Ich habe keine Lust, mit Ihnen darüber zu diskutieren,
warum
ich Sie blenden muss. Nur über die Methode.«
    Er wartet auf eine Reaktion.
    Da.
    Der Hass und die Wut in den Augen des Dicken weichen nackter Angst.
    Schön. Das gefällt Luther.
    »Mich blenden?«, sagt Herb. Er klingt, als könne er nicht glauben, was er soeben gehört hat.
    »Die gute Nachricht ist: Sie haben eine Wahl.«
    Luther schlägt das Samttuch auf. Darauf liegen ein Eispickel und eine gekrümmte Nadel mit Faden.
    »Ich kann Ihnen entweder mit dem Eispickel die Augen ausstechen oder die Augenlider zunähen. Sie können frei entscheiden. Aber wenn Sie glauben, Sie können nicht still sitzen, während ich nähe, dann sollten Sie lieber Manns genug sein und die schnellere und dauerhaftere Methode wählen.«
    Jetzt schwitzt der Dicke. Der Schweiß tropft von seinem Doppelkinn.
    »Kann ich mir auch die Augen verbinden lassen?«
    »Herbert«, sagt Luther in einem Ton, als schimpfe er einen unfolgsamen Hund. »Sagen Sie mir einfach nur, was ich machen soll.«
    »Oh Gott.«
    Luther spürt, wie der Dicke sich nur mühsam beherrscht. »Entscheiden Sie sich, oder ich tue es für Sie.«
    Herb bringt nur ein schwaches Krächzen hervor. »Die Nadel.«
    »Okay«, sagt Luther und steht auf. »Aber Sie müssen jetzt still sitzen. Sie dürfen nicht zappeln, wenn ich mit der Nadel an Ihrem Auge herummache. Das wäre gefährlich. Ich könnte mir in den Finger stechen.«
    »Wir … machen das … 
jetzt?
«
    »Ja, jetzt gleich.«
    Luther kniet sich hin und hebt die Operationsnadel hoch. »Sie könnten vielleicht schon mal anfangen zu üben.«
    »Was üben?«
    Luther setzt sich an den Tisch, in der Hand die Nadel, an der ein dreißig Zentimeter langer schwarzer Faden hängt.
    »Ganz, ganz still zu sitzen.«

Jack
    Mein Baby fing an zu treten und weckte mich auf. Als ich die Augen aufschlug, lag ich auf rissigem Asphalt.

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