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Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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mir immer noch nicht sicher, ob ich so ein Leben überhaupt wollte.
    Aber eins war sonnenklar: Von Luther hatte ich gründlich die Schnauze voll.
    »Sie können meine Fragen ruhig beantworten«, sagte er.
    »Fahren Sie zur Hölle.«
    Plötzlich zersprang der Außenspiegel eines verlassenen Autowracks, einen Meter von mir entfernt. Es war auf Ziegelsteinen aufgebockt und der Motor fehlte. Ich hechtete zur Seite und hörte das Echo eines Schusses zwischen den Hauswänden hallen.
    Er kam aus ein paar Hundert Metern Entfernung. Scharfschützenmunition mit hoher Geschwindigkeit.
    Ich duckte mich und hielt mir beide Hände über den Kopf. Die Angst durchfuhr mich wie ein Stromschlag.
    Nichts, aber auch
gar nichts
jagte mir so viel Angst ein, als wenn jemand auf mich schoss.
    »Kommt Ihnen das nicht irgendwie bekannt vor, Jack? Von einem Heckenschützen aufs Korn genommen. Ich habe mirsehr viel Mühe gegeben, von den Leuten zu lernen, mit denen Sie zu tun hatten.«
    »Was zum Teufel wollen Sie von mir?«, brachte ich mühsam hervor. Meine Zähne klapperten und mein gesamter Körper krampfte sich zusammen.
    »Ich kann jederzeit Ihr Leben beenden, oder das von Harry oder Herb oder Phin. Ich kann Ihren Freunden aber auch furchtbare Schmerzen zufügen und Sie zwingen, sich das Ganze mit anzuhören. Verstehen Sie, was ich meine?«
    Ich knirschte mit den Zähnen.
    »Antworten Sie mir« sagte Kite in mein Ohr.
    Mir blieb nichts anderes übrig. »Ja, ich verstehe.«
    »Freuen Sie sich überhaupt darauf, Ihr Kind auf die Welt zu bringen?«
    »Unter den gegebenen Umständen …«
    »Schluss damit. Bevor alles losging. Vor dem ersten Mord.«
    »Ich bin … hin und her gerissen«, gab ich zu.
    »Warum?«
    »Ich weiß nicht.« Es war eine ehrliche Antwort und ich musste beinahe heulen.
    »Haben Sie Angst davor, Mutter zu sein? Oder davor, das zu verlieren, was Sie zu sein glauben? Was, wenn ich Ihnen sage, wer Sie wirklich sind, Jack? Was, wenn ich Ihnen zeige, wie Sie der Mensch sein können, der schon immer in Ihnen gesteckt hat?«
    »Was wollen Sie von mir, Luther?«
    »Ich will, dass Sie jeden Augenblick auskosten, Jack. Die meisten Kunstwerke sind für die Massen bestimmt. Für das größtmögliche Publikum. Aber jetzt stellen Sie sich mal vor, Picasso hätte etwas gemalt, das nur einem einzigen Menschen gefällt. Was, wenn Hemingway ein Buch für nur einen einzigen Leser geschrieben hätte? Ich habe etwas nur für Sie geschaffen, Jack.«
    Ich hatte schon zu viele verrückte Ausreden von Psychopathen gehört, mit denen sie ihre schrecklichen Verbrechen rechtfertigten, aber so viel Aufwand hatte noch keiner betrieben. Luther musste jahrelang an diesem Projekt gearbeitet haben. Das sprach Bände über das Ausmaß seiner kranken Fantasien und abgrundtiefen Bosheit.
    Ich schloss aber auch daraus, dass ich hier wahrscheinlich nicht lebend herauskommen würde.
    »Wieso ausgerechnet ich?«, fragte ich.
    Das Geräusch, das aus dieser Lagerhalle aus Backstein drang, wurde lauter.
    »Weil es Ihrer würdig ist«, sagte Luther. »Ich habe Ihre Laufbahn verfolgt und weiß über Ihre Erlebnisse und die Mörder, die Sie gejagt haben, Bescheid. Eine wie Sie hat es noch nie gegeben. Einen wie mich auch nicht. Wir sind zwei Seiten derselben Medaille.«
    Ich nahm meinen Mut zusammen und stellte mich aufrecht hin, obwohl ich ein Dutzend Fadenkreuze auf meinem Körper spürte. Dann wandte ich den Blick in die Richtung, aus der der Schuss gekommen war.
    »Sie sind überhaupt nichts Besonderes, Luther. Sie sind Abschaum, genau wie all die anderen Arschlöcher, hinter denen ich her war. Sie sind nichts weiter als ein gebrochener Mensch, dem es Spaß macht, anderen wehzutun.«
    Ein weiterer Schuss löste sich und die Kugel pfiff über meinen Kopf hinweg. Mir schlotterten die Knie und mein Baby fing wie verrückt zu treten an, aber ich wich keinen Schritt von der Stelle.
    »Da irren Sie sich, Jack«, sagte Luther, die Stimme zu einem Flüstern gesenkt. »Ich habe vor langer Zeit aufgehört, ein Mensch zu sein.«

Luther
    Er liegt auf dem Dach eines Gebäudes unter einer Plane und beobachtet sie durch das Zielfernrohr.
    Aus vierhundert Metern Entfernung wirkt Jack sehr klein, wie sie da über den großen leeren Parkplatz taumelt wie ein einsamer Wanderer, der sich in der Wüste verirrt hat.
    Sie hat unbestreitbar etwas Heroisches an sich.
    Gar keine Frage.
    Sie hat schon eine ganze Reihe von Herausforderungen bestanden – vor ein paar Jahren hat Alex

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