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Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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aufbrechen konnte. Leider konnte ich nichts Brauchbares finden.
    Dann verließ ich das Haus durch das Wohnzimmer und gelangte über die Veranda in den Garten und von dort auf die Straße.
    Natürlich wusste ich, dass Luther hinter der Sache steckte, und trotzdem drehte sich mir alles im Kopf.
    Ich konnte nicht begreifen, wie …
    Plötzlich fiel ich auf die Knie und in meinen Ohren knackte es wie bei einem Druckabfall im Flugzeug. Der Windstoß einer Explosion erfasste mich, die Luft so heiß wie aus einem Backofen.
    Eine Weile, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, konnte ich nichts hören.
    Flüssige Asche fiel vom Himmel wie Schneeflocken aus der Hölle.
    Überall um mich herum lagen Dachschindeln, Bretter und Teile von Wandverkleidungen auf der Straße und brannten.
    Ich blickte über meine Schulter nach hinten. Das Haus, in dem ich mich vor wenigen Sekunden aufgehalten hatte, stand in Flammen. Pechschwarze Rauchwolken stiegen von ihm auf. Die umstehenden Bäume hatten ebenfalls Feuer gefangen und ihre brennenden Äste leuchteten wie Fackeln unter dem grauen Nachmittagshimmel.
    Meine Hände – nein, mein ganzer Körper – hörten nicht auf zu zittern.
    Die vergangenen fünf Minuten waren die verrücktesten meines Lebens gewesen, und das sagte eine ganze Menge. Ehrlich gesagt wusste ich nicht, ob das alles wirklich geschehen war, und ich begann ernsthaft an meinem geistigen Zustand zu zweifeln. Plötzlich hörte ich Luthers Stimme, seltsamerweise in meinem Kopf.
    »Sie sollten lieber weiterlaufen, Jack.«
    Ich langte an mein rechtes Ohr und stellte fest, dass darin ein Ohrhörer steckte. Vergeblich versuchte ich, ihn zu entfernen.
    »Den kriegen Sie nicht raus«, sagte Luther. »Ich hab Sekundenkleber verwendet.«
    Ich zog fester daran, spürte aber einen stechenden Schmerz, als ich mir beinahe die Haut abriss.
    Plötzlich fiel mir alles wieder ein.
    Rosehill. Der Sattelschlepper. Das Giftgas.
    Mir kam es vor, als läge das alles schon eine ganze Weile zurück.
    Wie lange war ich bewusstlos gewesen?
    Und dann dachte ich an Phin, Harry und Herb. Meine Jungs.Meine tapferen Jungs, die sich um mich gekümmert und mich beschützt hatten. Wo steckten sie?
    Der Schmerz drohte mich zu lähmen. Der Schmerz, die Schuldgefühle und die Wut, die ich angesichts dieser verrückten Situation empfand. Ich hätte wissen müssen, dass es so kommen würde.
    Wenn er meinen Freunden auch nur ein Haar gekrümmt hatte …
    »Wo ist Phin?«, fragte ich und versuchte, meine Stimme frei von Emotionen zu halten. Aber das Klingeln in meinen Ohren ließ sie seltsam klingen.
    »Phin ist bei mir, Jack. Harry und Herb auch. Ich hab sie alle zu der Party eingeladen.«
    Ich rappelte mich mühsam auf.
    Die Explosion hatte mein Trommelfell erschüttert. Ich taumelte seitwärts und wäre beinahe hingefallen, wenn ich mich nicht an einem Briefkasten festgehalten hätte.
    »Sehen Sie die Lagerhalle dort hinten?«, fragte Luther.
    »Welche?«
    »Der freistehende Backsteinbau.«
    Das Gebäude war groß und genauso verfallen wie alle anderen ringsherum. »Ja, jetzt sehe ich sie.«
    »Gehen Sie darauf zu.«
    »Was wollen Sie von mir, Luther?« Mein Gleichgewichtssinn kehrte allmählich zurück und das Geräusch in meinen Ohren ließ nach. Ich richtete mich auf und lief die Straße entlang.
    Die fensterlose Lagerhalle aus Backstein erhob sich ein paar Hundert Meter weiter hinter einem leeren Parkplatz. Selbst aus dieser Entfernung hörte ich, wie ein seltsames Geräusch nach außen drang – ein leises Surren und Brummen, wie von einer Maschine.
    »Ich habe Sie fast ein Jahr lang beobachtet, Jack. Sie haben Ihre besten Jahre hinter sich, nicht wahr?«
    »Was zum Teufel reden Sie da?«
    »Sie waren früher bei der Polizei, haben dort zur Crème de la Crème gehört. Aber jetzt sind Sie eine Null und fühlen sich auch als solche, stimmt’s, Jack? Freuen Sie sich überhaupt darauf, dieses Kind auf die Welt zu bringen?«
    Seine Frage verunsicherte mich, und das nicht nur weil dieser Spinner mich einer Psychoanalyse unterzog.
    Aber womöglich hatte er sogar recht.
    Ich hatte gedacht, dass ich glücklich sein würde, sobald ich erst einmal den Polizeidienst quittiert hatte. Dass ich in ein Leben als Hausfrau schlüpfen konnte wie in ein Paar neue Schuhe. Aber dies erwies sich als schwieriger, als ich mir vorgestellt hatte. Abgesehen davon, dass ich ständig nach Luther Ausschau halten musste und keinen Schritt ohne meine Beschützer machen konnte, war ich

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