Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen
ein recht großer Hecht. Der Löffelblinker hing an seinem Maul und er schüttelte den Kopf, um den Köder wieder los zu werden. Aber es sollte ihm nicht gelingen. Adrenalin fuhr durch meine Adern, während ich mit dem Hecht kämpfte. Ich hielt die Schnur auf Spannung und schaffte es schließlich den Hecht ans Boot zu führen. Er hatte sich müde geschwommen. Vorsichtig holte ich den großen Fisch an Bord und sah ihn mir an. »Du bist ein wirklich prachtvoller Bursche! Verzeih mir …« Damit gab ich dem Fisch einen betäubenden Schlag auf den Kopf und löste ihm den Haken aus dem Maul. Es tat mir jedes Mal ein wenig leid, so ein prächtiges Tier zu töten, doch ich empfand es immer noch fairer, als Fisch zu kaufen, der mit einem Schleppnetz im Meer gefangen worden war. Auf diese Weise hatte der Fisch eine Chance. Oftmals verlor man ihn auch, wenn er sich durch Schütteln vom Haken befreien konnte. Doch diesmal hatte ich gewonnen und so würde es heute Abend keine Käsebrote geben. Ein gezielter Stich ins Herz des Hechtes beendete es kurz und schnell.
Ich wickelte den Fisch in extra dafür mitgebrachtes Zeitungspapier ein. »One Ear wird sich freuen. Heute Abend gibt es ein Festmahl!«, sagte ich laut zu mir selbst. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es erst später Vormittag war. Das Abendessen war bereits gefangen. Weiter zu fischen wäre nicht sinnvoll gewesen, obwohl ich noch Lust dazu gehabt hätte. Die Wolken verzogen sich und die Sonne lugte hindurch. Ich zog den Anker hoch und beschloss, ein wenig weiter zu rudern. Also steuerte ich das Boot aus der Bucht heraus und um eine Insel herum. Von dort aus konnte man fast den ganzen See überblicken und die vielen kleinen Inseln sehen. Im Süden gab es, versteckt im Schilf, einige schmale Zuläufe, die einen, wenn man ihnen mit dem Boot folgte, in weitere kleine Seen führten. Doch dorthin wollte ich nicht rudern. Das würde zu viele Erinnerungen wecken. Ein Zulauf, der besonders gut versteckt war und selbst mit diesem kleinen Ruderboot kaum passierbar war, führte zu einem besonders dunklen Waldsee. Ben und ich hatten diesen Nebensee des Sandsjöns erst in unserem letzten Urlaub entdeckt. Wir waren so aufgeregt gewesen. Dachten wir doch, wir hätten schon alles gesehen. Doch dieser versteckte Nebensee, war immer vor unseren Blicken verborgen gewesen – bis zu jenem Sommer. Ich sah es vor meinem inneren Auge, wie wir uns damals durch den engen Seitenarm kämpften. Die tief hängenden Zweige der Bäume hatten mir ins Gesicht geschlagen und die Seerosen sich immer wieder in den Rudern verfangen. Ich verfluchte den Tag immer noch. Nein, dorthin würde ich niemals mehr fahren!
Ich ruderte auf die gegenüberliegende Seite des Sandsjön. Die Sonne war nun richtig hervorgekommen und es war mittlerweile wieder sehr warm. Ich ankerte vor einer kleinen Insel in der Nähe einiger Felsen und packte mein Lunchpaket aus. Es war herrlich: Ein warmer Wind streichelte mich und die kleinen Wellen ließen das Boot ein wenig schaukeln. Nach dem Essen schloss ich entspannt die Augen und genoss die Sonnenstrahlen auf meiner Haut.
Wann ich eingeschlafen war, weiß ich nicht mehr. Ich erwachte mit einer Gänsehaut. Ein unangenehmer mooriger Geruch hing in der Luft. Benommen öffnete ich die Augen. Mein Boot lag nun nicht mehr in der Sonne bei den Felsen vor der kleinen Insel, sondern genau auf der gegenüberliegenden Seite vom Sandsjön – direkt vor dem schattigen Durchlass zum versteckten Waldsee. Entsetzt riss ich die Augen auf. Wie konnte ich nur dorthin abgetrieben sein? Ich hatte doch geankert! War das Seil gerissen? Hastig überprüfte ich es. Es war noch da. Der Anker hing schwer, aber nutzlos im tiefen Wasser. Ich holte ihn hoch. Er war voller Dreck und Wasserpflanzen, die sich beim Treiben durch den See in ihm verfangen haben mussten. Warum war ich nicht irgendwo hängengeblieben und warum war ich gerade an diese Stelle getrieben worden? Der Sandsjön war so groß. Es gab so viele Buchten. Wie konnte ich dorthin kommen – gegen den Wind und vorbei an all den kleinen Inseln? Wild jagten diese Fragen durch meinen Kopf. Doch dann ließ mich die Bewegung des Ruderbootes alles vergessen. Ich trieb immer noch. Nein, es war vielmehr als würde mich etwas ziehen! Das Boot erreichte jetzt eine Uferzone mit Wasserpflanzen, wurde aber von den Seerosen und dem Schilf nicht aufgehalten. Normalerweise hätte es langsamer werden müssen. Doch es fuhr geradewegs durch den schmalen
Weitere Kostenlose Bücher