Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen
ist auch etwas anstrengend mit ihr. Ich komme eigentlich jeden Tag her, trinke Kaffee und lese Zeitung, wenn sie ihren Nachmittagsschlaf hält.«
»Ach, deine Oma wohnt in der Nähe. Und wo kommst du her? Du bist doch Schwedin, oder?«, erkundigte ich mich, denn mir war der seltsame Akzent aufgefallen mit dem Lilja sprach.
Lilja grinste: »Nein, eigentlich bin ich halb Finnin und halb Schwedin. Mein Vater ist Finne. Ich habe ihn in Helsinki besucht. Jetzt verbringe ich noch ein paar Tage mit mormor und dann fahre ich zurück nach Frankreich.«
»Toll«, entfuhr es mir. Neben Lilja kam ich mir ziemlich farblos vor. Sie hatte anscheinend nicht nur ein interessantes Leben, sondern sah zudem auch noch wie eine Elfe aus: Sie war sehr zierlich, mit langen blonden Locken und selbst wenn sie nicht gerade herzerfrischend lachte, strahlten ihre Augen voller Energie. »Ich beneide dich. Ich würde auch gerne in Frankreich leben.«
Lilja lächelte. »So toll ist es auch wieder nicht.«
Die Bedienung kam an unseren Tisch. Ich entschied mich für Karamelleis mit Sahne und Lilja bestellte sich eine Kugel Lakritzeis und einen Eiskaffee.
»Bis ich sieben Jahre alt war, haben wir in Helsinki gelebt, danach sind wir nach Paris gezogen. Jetzt hat meine Mutter wieder geheiratet und lebt in einem kleinen Haus in der Normandie. Ich bin in Paris geblieben und arbeite dort. Also bin ich quasi dreisprachig aufgewachsen. Ich befürchte allerdings, mein Schwedisch ist etwas eingerostet.« Dabei zwinkerte sie mir zu.
»Das klingt so aufregend. Ich beneide dich«, sagte ich ehrlich. »Ich würde gerne mehrere Sprachen so sicher sprechen.«
»Aber dein Schwedisch ist doch super. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass du keine Schwedin bist.« Lilja leckte genüsslich ihren Löffel ab. »Bist du eigentlich mit Freunden hier?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, allein.« Ausgerechnet in diesem Moment dachte ich das erste Mal seit Tagen wieder an meine Familie.
Lilja wollte gerade etwas fragen, als die Bedienung die Lautstärke des Fernsehgerätes hochstellte. Es kam ein Bericht über den entflohenen Häftling. Wir wandten unsere Aufmerksamkeit dem Bericht zu. Nachdem der Nachrichtensprecher geendet hatte, schüttelte Lilja den Kopf. »Mormor, ist ganz aus dem Häuschen wegen des Mörders. Als ob der sich gerade hier verstecken würde! Sie will nicht mehr, dass ich abends allein spazieren gehe. Alte Leute werden übervorsichtig, glaube ich.« Lilja grinste mich an. »Das ist wie mit den Sommerhaus-Banden.«
»Die Sommerhaus-Banden?«, fragte ich.
»Ja, eine uralte Sache. Es gibt leider organisierte Diebesbanden, die nach der Saison, im Herbst und Winter, in die leer stehenden Sommerhäuser in den Wäldern einbrechen, um dort die Elektrogeräte zu klauen. Angeblich werden die Geräte dann im Ausland verkauft. Min mormor ist immer ganz aufgeregt, wenn sie davon erzählt. Dabei hat sie noch nicht einmal ein Sommerhaus.« Lilja zuckte die Schultern.
Mir fiel die Unterhaltung der Männer am See wieder ein. Ob da eine Diebesbande in den Wäldern schon den nächsten Beutezug plante? Und wie würden diese Leute reagieren, wenn sie ausgerechnet in das eine Haus einbrachen, das noch nicht leer stand? Wenn sie glaubten, jemand habe sie beobachtet. Mich fröstelte. Ich ließ den Rest von meinem Eis stehen.
Zu meinem Glück hatte Lilja nichts von meinem Unwohlsein bemerkt. Sie plapperte fröhlich weiter. »In Jönköping gibt es übrigens coole Clubs. Mormor macht immer ein Riesentheater, wenn ich abends dorthin fahre. Aber ich bin 18 Jahre und sie kann mir nichts mehr verbieten. Willst du mal mitkommen, Sofie? Wir könnten viel Spaß haben.«
Eigentlich stand mir der Sinn nicht nach Partynächten, aber vielleicht war es doch eine gute Idee mal tanzen zu gehen, um all die trüben Gedanken zu vertreiben. Lilja wirkte wie ein Sonnenstrahl auf mich.
Bevor ich zurückfuhr, tauschten wir unsere Handynummern aus und Lilja versprach, sich bald zu melden. Ich freute mich jemanden zu treffen, der in meinem Alter war. Insgesamt hatte ich also doch noch einen schönen Tag verbracht. Sogar Kjell konnte ich für einige Zeit vergessen.
Als ich den Wagen vor dem Sommerhaus parkte und die Einkäufe ins Haus brachte, fiel mir auf, dass Captain One Ear auf dem Rasen am Seeufer spielte. Ich rief ihn, um ihn sein Futter zu geben. Doch der Kater hörte nicht. Etwas fesselte seine Aufmerksamkeit. Mit zuckendem Schwanz sprang er umher. Ich trat auf die Terrasse
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