Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen
wie sonst immer in einiger Entfernung zu ankern und in Richtung des Schilfs meine Angel auszuwerfen, probierte ich diesmal eine andere Taktik aus. Ich hatte mein Boot leise in den Schilfgürtel treiben lassen und verharrte an einer windgeschützten Ecke. Von dort aus warf ich meine Angel in Richtung des tieferen Wassers aus. Kurz vor meinem Boot fiel der Untergrund ziemlich steil ab und ich vermutete bei dem steinigen Untergrund einen sogenannten Barschberg. Ich hoffte, dort ein oder sogar zwei Barsche zu fangen. Die Stunden vergingen, doch außer ein paar Hängern an Steinen oder Ästen im Wasser tat sich nichts.
Irgendwann gab ich es auf und baute die Angel auseinander. Dennoch blieb ich mit meinem Boot noch für einige Zeit im hohen Schilf. Ich trank einen Schluck aus meiner Wasserflasche und lauschte dem leisen Plätschern der Wellen. Ich saß so verborgen, dass sich sogar ein Blässhuhn in meine Nähe verirrte und mich erst bemerkte, als es direkt vor meinem Boot war. Irritiert schwamm der Wasservogel weg. Es war ein wunderschöner Abend. Verträumt blickte ich auf die Landschaft. Dabei konnte ich nicht verhindern, dass sich wieder einmal ein gewisser Jemand in meine Gedanken drängte. Ich hatte Kjell seit dem Morgen im Wald nicht mehr gesehen. Vielleicht hatte er seine Ferien beendet und er war schon wieder weggefahren,? Dieser Gedanke erschreckte mich. Auch wenn ich eigentlich nichts über ihn wusste. Nicht einmal, in welchem der Sommerhäuser er wohnte. Ich kam mir plötzlich sehr einsam vor. Über dem See lag ein rosa Abendhimmel. Die wenigen Wolken spiegelten sich im Wasser. Es hätte so friedlich sein können. Doch mit der Abenddämmerung kamen auch die Mücken. Ihr Surren ließ mich aus meinen Tagträumen aufwachen und schon stürzten sich die ersten gefräßigen Monster auf mich.
Ich wollte gerade aufbrechen, da hörte ich Stimmen vom Ufer, das hinter der kleinen Insel lag. Eigentlich hätte mich das nicht weiter interessiert. Schließlich waren am Wochenende ständig Leute im Wald oder am See unterwegs gewesen und mehr als einmal hatte der Wind Fetzen einer Unterhaltung über das Wasser herüber getragen. Normalerweise wäre ich davon ausgegangen, dass es sich um Wochenendausflügler handelte, die noch etwas am Seeufer spazieren gingen, bevor sie fuhren. So hätte ich dem Gespräch keine Beachtung geschenkt, aber irgendetwas ließ mich aufhorchen. War es der Klang der einen Stimme? Es waren eindeutig zwei Männer. Vorsichtig spähte ich durch das Schilf hindurch in Richtung des Ufers. Dort, im Schatten der Bäume standen zwei Personen. Ich konnte nur erkennen, dass es sich anscheinend um einen älteren und einen jüngeren Mann handelte. Von ihrem Standort aus konnten sie mein Boot nicht sehen. Die beiden schienen in ein Streitgespräch verwickelt zu sein. Ohne es zu wollen, versuchte ich zu verstehen, worum sich die Unterhaltung drehte.
Gerade sprach der Ältere. Seine Stimme klang herrisch. Leider konnte ich nur einige Bruchstücke verstehen. »Es wird langsam Zeit… worauf… warten. Die anderen… ungeduldig.«
Ich wusste nicht worum es ging, doch die Stimme des älteren Mannes verursachte bei mir eine Gänsehaut. Jetzt fiel ihm der junge Mann ins Wort, der noch immer mit dem Rücken in meine Richtung stand. Er schien sehr aufgebracht zu sein. »…noch nicht so weit… Ich brauche mehr Zeit«, fuhr er sein Gegenüber heftig an.
Dieser erwiderte kühl: »Bis Vollmond ist Zeit…«
Den Rest verstand ich nicht mehr. Ich verjagte eine besonders hartnäckige Mücke, die versuchte, mich in meine Nase zu stechen. Dann spähte ich wieder durch das Schilf zum Ufer. Der alte Mann war verschwunden. Nur der Junge war am Seeufer stehen geblieben. Er trat einen Schritt vor und aus dem Schatten heraus. Mir stockte der Atem. Konnte es sein? Ich glaubte für einen kurzen Augenblick Kjell zu erkennen, aber da er gerade in diesem Moment direkt in meine Richtung blickte, duckte ich mich schnell hinter dem Schilf. Ich konnte es mir nicht genau erklären, aber ich wollte lieber unentdeckt bleiben. Das Gespräch war irgendwie seltsam gewesen und eine unerklärliche Furcht breitete sich in mir aus. Wer konnte schon sagen, was dieser Typ tat, wenn er merkte, dass ich die Unterhaltung belauscht hatte. Ich wagte nicht, mich zu bewegen. Nach einigen Minuten spähte ich erneut zum Ufer hinüber. Der Junge war verschwunden. Dennoch griff ich so leise wie möglich nach den Riemen. Ich stieß mich möglichst geräuschlos ab
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