Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen
würde. Er schien meine Gefühlsverwirrung zu bemerken und fuhr fort. »So sind wir nun einmal, wir Wassergeister. Wir können eigentlich nicht lieben. Die Mädchen lieben uns. Aber diesmal war alles anders. Du warst so süß in der Nacht im Elchwald. Ich war hin und her gerissen. Einerseits wollte ich dich unbedingt haben und gleichzeitig wollte ich dich von mir wegtreiben. Ich verstand mich selbst nicht mehr. Meine Familie begann, mich unter Druck zu setzen. Allen voran mein Cousin. Er wollte dich selber holen. Ich war rasend vor Wut.«
Ich erinnerte mich an die Party und wie Kjell seinen Cousin gepackt hatte. »Ich dachte, du darfst nicht gegen deine Familie kämpfen?«
Er nickte zustimmend. »Aber es ist mir mittlerweile egal«, sagte er fast trotzig. »Er wird dich nicht bekommen.«
»Und wer hat den Mann von der Sommerhaus-Bande getötet? Das war doch nicht der entflohene Häftling, oder? War das auch dein Cousin?«
Kjell verschränkte die Arme vor der Brust und blickte finster drein.
»Nein, der Kerl geht auf mein Konto. Ich habe ihn in der Nacht an deinem Fenster gesehen. Er hätte dir etwas antun können. Diese miesen Typen haben sich danach weiterhin hier in der Gegend herumgetrieben. An meinem See und bei meinem Mädchen. Ich musste sie überzeugen, weiter zu ziehen!«
»Aber du hast ihm das Genick gebrochen! Du hast ihn einfach ermordet!« Ich war fassungslos.
Kjell sah mich mit großen Augen an. »Ja natürlich, ich bin ein Wassergeist, kein Kuschel-Troll!«
Es dauerte einige Zeit bis ich mich von all dem Gesagten erholt hatte. Kjell beobachtete mich aufmerksam.
»Ich weiß, dass das ist alles etwas viel für dich ist …«, begann er nun wieder etwas sanfter, »aber du wolltest die ganze Wahrheit hören. Ich kann es leider nicht mehr ändern, Sofie. Mir wäre es lieber gewesen, du wärest fort und in Sicherheit.
Ich erinnerte mich an meinen ersten Tag und wie ich beinahe ertrunken wäre, weil mich etwas hinabzog. »Wer von Deiner Familie wollte mich denn gleich zu Beginn ertränken?
Nun blickte Kjell einen Moment verwirrt drein.
»Das war doch kein Zufall, dass mein Fuß sich verhakt hatte und du mich retten musstest, oder?«
Dann verstand er und grinste mich schief an. »Keiner von ihnen und nein, es war kein Zufall. Ich musste dich doch irgendwie kennenlernen und wie hätte ich es besser gekonnt, als dich zu retten?«
»Du hast mich fast umgebracht, um mich dann zu retten? Und hinterher hast du mich heruntergeputzt. Das nennst du kennenlernen?« Mir blieb die Spucke weg. Aber eigentlich sollte mich bei ihm nichts mehr überraschen.
»Hat doch perfekt funktioniert, oder nicht?« Kjell war jetzt wieder dichter an mich herangetreten. Seine Nähe verwirrte mich, wie so oft. Sein Duft umgab mich, als er so nah vor mir stand. Der Duft nach Wasserlilien und etwas Undefinierbaren, Dunklen.
»Und jetzt gehörst du ganz mir«, flüsterte er in mein Ohr.
Mein Herz klopfte wild.
»Und wie soll es nun weitergehen? Deine Familie fordert meinen Tod. Willst du mich nun mit Gewalt in den See zerren?« Meine Stimme zitterte leicht, aber unergründlicher Weise hatte ich keine Angst.
»Nein, aber ich will dich jetzt haben – im Wasser.« Seine Stimme nahm einen seltsamen Klang an. Er drückte sich gegen mich und ich spürte nur zu deutlich was er meinte. »In den See können wir nicht. Das ist zu gefährlich. Dort kann ich dich nicht gegen meine Familie beschützen«, überlegte er laut. »Wo ist das Badezimmer?«
»Gleich neben der Eingangstür«, informierte ich ihn. Was hatte er vor?
»Komm!« Er griff meine Hand.
Im Badezimmer stellte der die Dusche an und schob mich in die Duschkabine hinein.
»Warte, ich bin völlig bekleidet«, versuchte ich einen Einwand.
»Nicht mehr lange, Kleine«, lächelte Kjell.
13. Kapitel
Wenn die Seerosen Trauer tragen
Das Licht des frühen Morgens fiel durch das Fenster. Auf dem Boden lagen mehrere feuchte Handtücher und auf den Fliesen waren noch einige Wasserlachen. Ich würde feudeln müssen. Ich stand vor dem Waschbecken und blickte in den Badezimmerspiegel. Meine Wangen glühten und meine Haare waren wild zerzaust. Meine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding. Die letzte Nacht war die bizarrste meines bisherigen Lebens gewesen und jetzt im Tageslicht, konnte ich es immer noch nicht glauben, was geschehen war. Ich hatte einen Wassergeist geliebt und er mich – und wie er das getan hatte. Ich klammerte mich am Waschbeckenrand fest.
Bevor ich mir
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