Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen
einfach
keine Fluchtmöglichkeit einfallen.
»Mit dir zu
kommen?«, wiederholte ich stattdessen wenig einfallsreich.
Meine Befürchtungen schienen sich zu bewahrheiten.
»Ja, zu
unserem See.« Er kam noch etwas näher zu mir heran. Ich
fühlte mich wie benebelt. Sein Duft umgab mich und mir wurde
bewusst, dass dies Teil seiner Verführungskunst war: Der
unglaubliche Duft der Wassergeister nach Wasserlilien und dunkler
Versuchung. Jetzt verstand ich auch, warum mich Kjell so oft
besänftigen konnte, wenn ich sauer auf ihn gewesen war. Nur dass
ich den Duft von Kjell geliebt hatte und immer wenn ich ihn roch,
mich am liebsten in seine Arme gekuschelt hätte. Bei seinem
Cousin war es komplett anders. Dieser Wassergeist betäubte mich
mit seinem Geruch. Ich glaubte in einer Wolke ersticken zu müssen,
die den Duft des Todes ausströmte. Ich wollte nur noch weg von
ihm.
»Niemals werde
ich dir irgendwohin folgen und schon gar nicht zum schwarzen See. Für
wie dumm hältst du mich?« Meine Angst verwandelte sich in
Zorn. Alles war besser als Angst, entschied ich. Ich konnte wieder
klar denken und schob ihn mit aller Kraft von mir fort.
Wenn ich erwartet
hatte, er würde dagegenhalten, hatte ich mich geirrt.
Er ließ es
passiv geschehen. Doch ich war mir durchaus bewusst, dass ich
keinerlei Chance gegen ihn hatte, wenn er mir etwas antun wollte. Ich
musste daran denken, dass Kjell diesem Dieb einfach mal so das Genick
gebrochen hatte. Wenn sein Cousin auch nur annähernd über
eine ähnliche Kraft verfügte, war ich verloren.
Ihn schien die ganze
Situation allerdings eher zu amüsieren.
»Ts, ts, so
ein böses Mädchen«, sagte er mit einer Spur von Spott
in der Stimme. »Da stellt sich dein Liebster für dich
gegen seine eigene Familie und du lässt ihn im Stich. Ich hatte
wirklich gedacht, du würdest mit mir kommen und versuchen ihn zu
retten.«
»Kjell möchte,
dass ich abreise. Ich folge nur seinem Wunsch!«, erklärte
ich. »Außerdem glaube ich nicht, dass ich ihn vor
irgendetwas retten muss.« Ich zwang mich, ruhig zu bleiben.
»Weißt
du, was sie mit ihm machen werden?«, fragte er mit leiser
Stimme.
»Was könnt
ihr ihm schon antun?«, sagte ich mehr zu mir selbst. Aber ich
wandte den Blick ab.
»Sie
werden ihn töten!« Es war nur ein Flüstern an meinem
Ohr.
Dennoch fuhr mein
Kopf ruckartig hoch und ich sah in seine listig funkelnden Augen. Das
war gar nicht gut!
»Das ist nicht
dein Ernst, oder?« Mein Herz krampfte sich zusammen.
»Sehe ich so
aus, als würde ich Spaß machen?« Er blickte mich nun
wieder todernst an. Jeglicher Spott war aus seiner Stimme
verschwunden.
»Nein, aber,
aber sie werden ihm doch nichts antun! Er hat gesagt, Wassergeister
dürfen einander nicht umbringen!« Meine Stimme war vor
Aufregung eine Spur höher.
»Wenn die
Alten der Meinung sind, er habe die Familie verraten und unsere
Existenz in Gefahr gebracht, dann werden sie ihn richten.«
»Nein, das
glaube ich nicht! Das hätte er mir doch gesagt. Du lügst
mich an! Kjell hat mich gewarnt.« Ich versuchte das Chaos von
Emotionen und Informationen in mir zu bewältigen.
»Hat er das?
Wirklich? Würde er sich nicht lieber opfern, um dich kleines
Menschenmädchen zu retten?« Er beobachtete mich so kühl
wie ein Forscher einen Schmetterling, kurz bevor er ihn mit einer
Nadel aufspießte und ich wand mich wie ein hilfloses Insekt.
»Du musst für
ihn sprechen!«, beschwor er mich noch einmal.
»Ich weiß
nicht.« Ich war unsicher. Ich traute ihm nicht und doch hatte
er Zweifel in mein Herz gesät. Was wenn die Wassergeister Kjell
wirklich töten würden? Vermutlich rechnete er gar nicht
damit. Oder er ist sich dessen durchaus bewusst und hat es mir
bewusst verschwiegen.
Kjells Cousin
bemerkte sehr wohl meinen inneren Kampf. »Nur du kannst ihm
noch helfen. Wenn du sie überzeugst, dass es eine wahre,
aufrichtige Sache zwischen euch ist. Wenn du sie überzeugst,
dass sie dir vertrauen können und du niemanden von uns
berichtest, dann hat er vielleicht eine Chance.«
Ich zögerte. Er
deutete meine Zurückhaltung falsch.
»Es sei denn
du möchtest vielleicht, dass er stirbt. Vielleicht steht dir der
Sinn ja bereits nach einem neuen Geliebten? Ihr Menschenmädchen
seid ja sehr sprunghaft.«
»Wie kannst du
es wagen?«, fuhr ich ihn an. »Ich …, ich liebe
Kjell!«
»So du liebst
ihn?« Er sprach die Worte fast mit Hohn aus. »Nun, dann
sag mir, ist es wahre Liebe, wenn du den Mann, den du angeblich
liebst,
Weitere Kostenlose Bücher