Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen
fest.
»Bitte, hört
auf!« Mit Tränen in den Augen schrie ich hilflos gegen das
Tosen des Wassers an.
Doch auch wenn die
Wassergeister mich gehört haben mochten, so beruhigte sich die
Wasseroberfläche nicht. Der Strudel schwoll weiter an und das
Boot drehte sich immer schneller um seine eigene Achse. Schon neigte
sich der Bug hinunter. Mir wurde schlagartig klar, dass ich mitsamt
dem Boot in den Strudel des schwarzen Sees hinabgezogen werden würde,
wenn nicht ein Wunder geschah. Vermutlich beabsichtigten die
Wassergeister genau das. Aus dem Boot zu springen und zu versuchen,
dem tödlichen Strudel durch Schwimmen zu entkommen, war
sicherlich ebenso sinnlos, wie weiter im Boot zu sitzen und um Hilfe
zu schreien. Ich rief dennoch aus Leibeskräften nach Kjell. Er
tauchte nicht auf. Ob er überhaupt meine Rufe hörte?
Vielleicht hatte seine Familie ihn bereits umgebracht und jetzt
würden sie auch mich holen. Das Boot neigte sich nun gefährlich
tief und das dunkle Wasser schwappte hinein. Ich hörte auf zu
rufen und starrte wie gebannt auf den Sog vor mir. Das kleine Boot
füllte sich nun rasch mit Wasser und ich traf eine Entscheidung.
Ich konnte nicht einfach tatenlos sitzen bleiben und mich dem Strudel
ausliefern. Ich sprang in den schwarzen See und versuchte mit aller
Kraft zu entkommen. Der Sog erfasste meinte Beine und zog an mir. Es
war als würden sich Schlingpflanzen um meinen Körper legen.
So sehr ich mich auch anstrengte, ich kam dem rettenden Ufer keinen
Meter näher. Hinter mit versank mein Ruderboot mit einem Gurgeln
in der Tiefe.
Nun hatte ich das
Gefühl jemand hielt mich an der Jacke fest. Meine Arme wurden
schwer. Ich konnte sie kaum mehr bewegen. Der Zug an meinen Beinen
verstärkte sich und mit einem plötzlichen Ruck wurde ich
nach unten gezogen.
Ein Raunen und
Rauschen klang in meinen Ohren, überall um mich herum war
dunkles Wasser. Ich riss die Augen auf und versuchte etwas in der
Finsternis zu erkennen. Immer tiefer wurde ich hinabgezogen. Ich
musste mich zusammenreißen, um nicht in Panik aufzuschreien und
meine kostbare Luft aus den Lungen zu lassen. Auch wenn ich damit das
Unvermeidliche nur wenige Augenblicke hinauszögerte. Plötzlich
erkannte ich in der Tiefe ein hellblaues Leuchten. Es erfüllte
den ganzen Boden des Sees. Zwischen den Stielen der Seerosen
vermochte ich dunkle Schatten zu erkennen, die sich schnell hin und
her bewegten. Ein Schatten kam auf mich zu und packte mich. Er legte
seine Arme um mich und zog mich wie in einem Todestanz an sich. Ich
erkannte das kalt lächelnde Gesicht des Cousins dicht vor mir.
Ich hörte eine Stimme in meinem Kopf. Seine Stimme, aber sie
sprach nicht zu mir, sondern zu den Schatten zwischen den Seerosen,
die sich nun nicht mehr ganz so schnell bewegten.
»Hier, ich
habe sie euch gebracht, wie ihr es gewünscht habt!«
Triumph lag in seinen Worten. Ich wusste, ich hätte ihm nicht
trauen dürfen.
Doch das spielte
keine Rolle mehr, denn mir blieb nicht mehr viel Zeit darüber
nachzudenken. Ich fühlte wie mir die Luft knapp wurde. Nur noch
wenige Augenblicke, dann würde sich meine Lunge mit Wasser
füllen und ich würde in seinen Armen ertrinken.
In diesem Moment
schoss einer der Schatten auf Kjells Cousin zu. Es war mein Kjell! Er
riss ihn von mir los und schleuderte ihn mit aller Gewalt durch das
Wasser. Ich hatte nicht gewusst, dass so etwas überhaupt möglich
war. Doch bevor ich mir weitere Gedanken machen konnte, umfasste er
mich und zog mich im Eiltempo an die Wasseroberfläche. Auf dem
Weg nach oben, wurde mir schwindelig, nur einem Atemzug. Ich wollte
den Mund öffnen, ich konnte nicht länger die Luft anhalten.
Meine Lungen brannten.
»Halte durch,
Sofie! Nur noch einen winzigen Augenblick! Gleich hast du es
geschafft!« Beschwor mich Kjells Stimme in meinem Kopf. Ich
glaubte die Besinnung zu verlieren, als wir endlich durch die
Wasseroberfläche brachen. Ich schnappte nach Luft wie ein Fisch
an Land. Nie war mir sie mir so klar und köstlich vorgekommen.
Ich zog sie gierig ein. Kjell hielt mich ganz fest. Ich fühlte
mich schwach und ließ mich von ihm in den Armen an der
Wasseroberfläche halten. Doch lange blieb uns nicht. »Komm,
Kleines. Du musst fort von hier «, drängte er mich.
»Kjell, du
lebst!«, strahlte ich ihn glücklich an.
»Natürlich
lebe ich. Aber du wirst bald nicht mehr leben, wenn du noch lange
bleibst. Wir müssen so schnell wie möglich ans Ufer. Bevor
er dich bekommt.«
Das Wasser
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