Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen
in
meiner Stimme. Ich wollte nicht fort von ihm. Nicht jetzt.
»Ich kann
nicht, ich bin an meine Familie und damit an diese Gegend gebunden.
Ich kann das Land nicht verlassen. Außerdem bin ich mir nicht
sicher, ob ich mich auf Dauer beherrschen könnte, im Wasser von
deiner Seele zu trinken. Du bist einfach zu süß. Du musst
fortgehen, Kleines. Alles was ich tun kann, ist, dass ich meine
Familie aufhalte, dich zu holen, solange du auf dem Weg zurück
in deine Heimat bist. Fort von ihnen und von mir!«
»Und wie geht
es mit dir weiter, wenn ich fort bin?«, verlangte ich zu
wissen. »Wirst du dir weiterhin andere Mädchen und ihre
Seelen holen?«
»Ich muss«,
sagte er mit einem traurigen Klang in der Stimme. »Auch wenn
ich mir nicht vorstellen kann, mit irgendeiner anderen bei Vollmond
zu schwimmen.«
Bei der Vorstellung
schnürte sich mein Hals zu. Ich konnte den Gedanken nicht
ertragen, dass Kjell eine andere küsste, auch wenn ich eher
Mitleid mit dem Mädchen haben sollte. Dass er dies ebenso wenig
wollte wie ich, hätte ich ihm so gerne geglaubt. War es denn
überhaupt nötig? »Sterbt ihr wenn ihr euch keine
Seelen holt?«, wollte ich deshalb wissen.
»Nein, aber
wir verändern uns«, antwortete Kjell ausweichend. Ich
merkte, dass er über dieses Thema nicht sprechen wollte.
»Kann ein
Wassergeist überhaupt sterben?«, bohrte ich weiter nach.
»Ja, aber nur
wenn man ihn umbringt.«
»Geht das denn
einfach so und was passiert dann?«, die Fragen purzelten nur so
aus meinem Mund.
»Es geht, mehr
brauchst du nicht zu wissen und wenn einer von uns stirbt, verfärben
sich alle Seerosen unseres Sees schwarz.« Kjell stand auf. Ich
fühlte, dass er gehen wollte. Mir wurde langsam klar, es würde
ein Abschied für immer sein. Ich wollte ihn festhalten und alles
was mir einfiel waren weitere Fragen. Ich stand ebenfalls auf.
»Leben
eigentlich in allen Seen Wassergeister?«
»Nej.«
Er schüttelte den Kopf. »Nur in Seen, in denen Seerosen
blühen. und jetzt hör auf zu fragen, Sofie. Ich muss gehen.
Sie werden sich schon wundern, wo ich so lange steckte und du musst
zusehen, dass du hier verschwindest. Pack deine Sachen und fahre noch
heute fort. Ich werde versuchen, sie bis dahin abzulenken.«
Er ging zur Tür
und ich lief ihm nach. Ich griff nach seinem Arm. Hilflos stand ich
vor Kjell. Das konnte doch nicht alles gewesen sein. Das konnte doch
nicht das Ende sein. Hatte ich die Liebe gefunden, nur um sie für
immer zu verlieren? Er zog mich noch einmal in seinen Arm. Ich
blickte zu ihm auf und hoffte, er würde mich noch einmal küssen,
doch er sah mir nur tief in die Augen und sagte: »Was immer
auch passiert. Komm nicht zurück, Sofie! Komm auf keinen Fall zu
unserem See. Versprich mir das.«
Ich nickte. Ich
hatte wirklich kein Bedürfnis, mich dem schwarzen Waldsee noch
einmal zu nähern.
»Gut, hej då
und pass auf dich auf, Kleines.«
Damit ließ er
mich stehen und ging.
Ich stand einige
Zeit im Flur und versuchte zu realisieren, dass es das jetzt war. Ich
würde ihn niemals wiedersehen. Diesmal würde auch kein
Kaffee helfen. Wie an Fäden gezogen ging ich ins Bad, sammelte
die nassen Handtücher vom Boden auf und griff nach dem Wischer.
Nachdem ich das
Chaos beseitigt hatte, räumte ich auch die Reste vom Frühstück
weg, wusch das Geschirr ab und stellte dem Kater, der sich immer noch
nicht hatte blicken lassen, eine Schale mit Futter hin. Nun gab es
nichts mehr zu tun, außer Rune anzurufen und meine letzten
Taschen ins Auto zu tragen. Es gab keinen Grund mehr, zu bleiben und
zu hoffen, dass Kjell zurückkommen würde. Denn das hoffte
mein verrücktes Herz. Es hoffte, er würde zurückkommen
und mir erklären, dass wir einen Weg finden würden,
zusammen zu bleiben. Hoffte, er würde sagen, ich dürfe ihn
nicht verlassen. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, aber sie
stirbt. Denn natürlich kam er nicht.
Der Himmel hatte
sich zugezogen. Eine dicke, düstere Wolkendecke schluckte jeden
Sonnenstrahl. Der Altweibersommer war vorbei. Es war sowieso schon
ein Wunder gewesen, wie viel warme Sonnentage ich noch erlebt hatte.
Nun passte das Wetter zu meiner Stimmung. Ich wählte Runes
Nummer, um mich persönlich von ihm zu verabschieden, doch es
ging nur der Anrufbeantworter dran. Ich sprach ihm auf Band, dass ich
heute abreisen und den Schlüssel wieder unter die Fußmatte
legen würde. Ich legte auf und steckte das Handy in meine
Tasche. In diesem Moment roch ich es. Ein Geruch, den ich
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