Klagelied der Sterne: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 2
die meine Regierung auf Ihre Welt entsandt hat, ebenso wenig wie Sie jeden Diplomaten Ihrer Regierung kennen müssen.«
Herringale nickte. »Vielleicht sollten Sie sich einmal mit Dmis in Verbindung setzten. Er hat Mr Mallory getroffen, daher weiß er, .dass er existiert. Wir wissen ebenfalls, dass Mr Mallory existiert - er ist eine ungewöhnlich unabhängige und einfallsreiche Person. Unter anderem ist Alwyn Mallory ein ehemaliger Sternenschifftechniker. Er hat sich ein altes Rettungsboot gekauft und es in seiner Freizeit instand gesetzt. Mit diesem Boot hat er es bis auf die planetenabgewandte Seite von Treetrunk Eins geschafft, zusammen mit dem Mitschnitt, den er von der Medienübertragung gemacht hat. Und damit ihm der Mitschnitt nicht abhanden kommt, hat er ihn auf dem Mond vergraben. Man hat ihn erst vor kurzem wiedergefunden.«
»Eine sehr beunruhigende Geschichte.« Suin presste die Handkanten aneinander, eine typische Pitar-Geste. Wie alle Pitar war auch er außergewöhnlich gut aussehend, groß und wirkte erhaben. Selbst wenn Herringale sich von den besten Schönheitschirurgen der Welt hätte operieren lassen, hätte er hinterher nicht einmal halb so beeindruckend ausgesehen, und das wusste er.
»Die Aufzeichnung wurde beglaubigt. Zu den Methoden, mit denen man ihre Echtheit überprüft hat, gehörte auch, dass man an einigen Schauplätzen, die in dem Mitschnitt zu sehen sind, durch intensive Ausgrabungsarbeiten untersucht hat. Alles passt zusammen, angefangen bei den zerstörten Gebäuden bis hin zu den Blutspuren, die wir auf dem Platz in der Stadtmitte von Weald gefunden haben.« Herringales trockener Hals kratzte, und er trank einen Schluck kaltes Wasser. »Man sagte mir, solche Blutspuren seien in Hülle und Fülle vorhanden. Da ich mir die Aufzeichnung schon mehrmals angesehen habe, kann ich mir das gut vorstellen.«
»Ich gehe jetzt.« Der Botschafter erhob sich vom Stuhl. Herringale stand mit ihm auf. Der Pitar überragte den untersetzten Diplomaten, der sich im besten Mannesalter befand.
»Wir haben viele Fragen.« Herringales Stimme klang noch ebenso ruhig wie zu Anfang, als er den Außerirdischen begrüßt hatte. »Zunächst einmal wüssten wir gern, warum Sie den vielen Frauen die Fortpflanzungsorgane entnommen und diese konserviert haben. Ich muss zugeben, dass mich die Antwort auf diese Frage aus persönlichen Gründen interessiert. Ich habe zwei Töchter, die etwa im gleichen Alter sind wie die jungen Frauen, die in dem Mitschnitt bei lebendigem Leib ausgeweidet werden.« Unbewusst packte er den Botschafter am Hemdsärmel. »Erklären Sie mir das, bitte? Das würde ich wirklich gern wissen.«
Suin starrte auf ihn herab. »Ich werde meiner Regierung empfehlen, eine offizielle Protestnote bei Ihrer Regierung einzureichen. Meine Zeit mit solch einem Unfug zu verschwenden ist schlimm genug, aber mich noch weiter zu belästigen würde an schwere Beleidigung grenzen.«
»Nur zu, reichen Sie Ihre Protestnote ein!«, forderte Herringale ihn auf. Etwas regte sich in dem Diplomaten, und er kämpfte sehr dagegen an. Seine professionelle Selbstbeherrschung war einer der Hauptgründe, warum man ihn dazu auserwählt hatte, dem Pitar die Aufzeichnung vorzuspielen. »Es kann sein, dass Ihre Beschwerde noch vor der offiziellen Kriegserklärung meiner Regierung eingeht.«
Endlich zeigte der Botschafter doch eine Regung, auch wenn sie so gedämpft war wie jede pitarische Reaktion. »Was soll das für ein Scherz sein? Sie meinen doch nicht etwa, dass Ihr Volk einen Krieg beginnen wird - auf Grundlage einer einzelnen Aufzeichnung, die angeblich von einem einzelnen Menschen gemacht wurde?«
»Die Echtheit der Aufzeichnung wurde beglaubigt. Mr Mallorys Erinnerungen an das Massaker auf Treetrunk wurden bestätigt. Der Weltrat hat seine Entscheidung einmutig getroffen. Man hat die Kolonien schon informiert, und die jeweiligen Kolonieräte stimmen aus ganzem Herzen zu. Tatsächlich hat der Krieg bereits begonnen. Es wird interessant sein, die Folgen zu beobachten. Einige weise Leute meinen, dass der Begriff interstellarer Krieg‹ ein Oxymoron sei. Das werden wir bald herausfinden.« Obwohl Herringale sich um Selbstbeherrschung bemühte, wurde sein Tonfall schärfer. »Ihr Vo/Äwird es bald herausfinden.«
»Kann man diesem Wahnsinn nicht Einhalt gebieten?«
Herringale starrte zu dem viel größeren Außerirdischen hoch. Er stellte fest, dass er sich nicht eingeschüchtert fühlte. »Um genau sechs Uhr
Weitere Kostenlose Bücher