Klagelied der Sterne: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 2
Wäre ein Thranx-Stock einer solchen Barbarei zum Opfer gefallen, würden wir zweifellos ähnlich reagieren, wenn auch weniger lautstark. Aber das ist nicht der Fall. Uns geht das, was auf Argus V geschehen ist, nichts an, es tangiert uns einfach nicht.«
»Warum nicht? Weil nur Säuger gestorben sind? Weil nur Menschenfrauen entehrt wurden?«
»Es sagt sich allzu leicht, dass wir den Menschen helfen sollen.« Wirmbatusek glitt vom Baumstamm und stützte sich auf die Echtbeine. Mit allen vier Händen las er Rindenstücke und andere Pflanzenreste von seinem glänzenden, blaugrünen Ektoskelett und von der Tasche, die vor seinem B-Thorax hing. »Zunächst einmal haben sie weder uns noch irgendeine andere Spezies um Hilfe gebeten. Des Weiteren sind wir nicht verpflichtet, ihnen zu helfen. Kein Vertrag, kein Abkommen zwingt uns dazu. Wir haben keinen Grund, uns einzumischen, und viele Gründe, um uns aus der Angelegenheit herauszuhalten. Niemand kennt die militärische Schlagkraft der Pitar - und das ist längst nicht alles, was man über die Pitar nicht weiß. Am Ende müssten wir vielleicht feststellen, dass wir uns mit der Verliererseite verbündet haben.« Er schnippte sich ein abgefallenes Blatt vom Abdomen.
»Falls es zum Krieg kommt, würde ich nicht gegen die Menschen wetten.« Inzwischen wurde Asperveden immer unwohler dabei zumute, dass ihm das seichte Wasser um die Beine schwappte. Vorsichtig trat er ans Ufer zurück.
»Das würde ich auch nicht, aber ich würde auch nicht die Neutralität aufs Spiel setzen, die unsere Zivilisation vor Feindseligkeiten schützt. Der Krieg ist kein Jux, und es ist auch kein vergnüglicher Zeitvertreib, Wetten auf Kriegsgegner abzuschließen.«
Asperveden schüttelte einen Fuß nach dem anderen, um seinen undurchlässigen Chitinpanzer von den abperlenden Wassertropfen zu befreien. »Der geschätzte Desvendapur hätte sicherlich viel über dieses Thema zu sagen gewusst.«
»Zweifellos, wenn er noch leben würde. Ich wünschte, ich hätte einen seiner Vorträge sehen können. Meines Wissens befasst sich seine Dichtung nicht mit Krieg, trotz des schlimmen Schicksals seines Clans und der besonderen Geschichte seiner Familie.« Der größere Thranx beobachtete zwei Nashornvögel, die über den See glitten. »Wieso glaubst du, dass die Menschen unsere Hilfe annehmen würden, selbst wenn wir sie ihnen anböten? Sehr viele von ihnen verachten uns und können nicht einmal unsere Gegenwart ertragen. Wir hier auf Lombok und unser Stock im Amazonasbecken haben mit solchen Konflikten nichts zu tun.«
»Mir ist bewusst, dass sich die Beziehungen zwischen unseren Spezies noch immer entwickeln.« Asperveden, der die ersten Anflüge morgendlichen Hungers verspürte, holte etwas Proviant aus seiner Thorax-Tasche. »Ich bin nicht naiv. Wir müssen noch viel leisten, bis unsere beiden Völker einander vorbehaltlos vertrauen und echte Freundschaft zwischen Menschen und Thranx kein Einzelfall mehr ist.« Mit allen vier Mundwerkzeugen biss er in ein stärkehaltiges Brot und zerkaute den Bissen nachdenklich. »Dieser Krieg wäre die perfekte Gelegenheit, dieses Ziel zu erreichen.«
Wirmbatusek näherte sich seinem Freund und wartete darauf, dass dieser ihm etwas zu essen anböte; er selbst würde dem kleineren Thranx erst dann etwas von seinem Proviant anbieten, wenn Asperveden mit den entsprechenden Handgesten darum bat. »Hier geht es um mehr als nur um strategische Überlegungen. Es gibt genauso viele Thranx, die den Menschen misstrauen, wie umgekehrt. Es ist schon schwer genug, mit ihnen Konferenzen zu vereinbaren, Kulturaustausch zu betreiben oder Einigungen in kleineren Angelegenheiten zu erzielen. Eine Allianz, die auch die gegenseitige Verteidigung im Kriegsfall umfasst, liegt noch in ferner Zukunft.«
»Dazu wäre kein formeller Vertrag vonnöten.« Asperveden vollzog die bittenden Gesten mit der Hand, auf die Wirmbatusek gewartet hatte. Sogleich erwiderte der größere Thranx sie. Die beiden tauschten Proviant aus. »Wir könnten ein zeitlich begrenztes Abkommen treffen, das beide Seiten auch als solches verstehen würden. Hilfeleistung in Kriegszeiten, nur für die Dauer des Krieges - ein Abkommen, das alle gegenwärtig gültigen Verträge außer Kraft setzt, bis der Krieg vorbei ist. Danach erlangen die alten Verträge ihre Gültigkeit zurück.«
Wirmbatusek dachte nach. »Ich stelle mir gerade vor, wie mehrere voll bewaffnete Stock-Kriegsschiffe aus dem Plusraum springen, in
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